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Kultur: Schmerzenslandschaften

Klaus Kläbers Fotografien und Werner Jaschinskys Materialbilder in der Ausstellung „Wandlungen“

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Diese Landschaft hat gelitten. Über 100 Jahre lang durch Menschenhand. Eine entstellte, verwüstete und irgendwie immer auch erstarrte Landschaft. Der Mensch hat sie benutzt, hat sie aufgerissen, um an das Innere, die Kohle, zu kommen. Dabei hat er dieses Land förmlich ausbluten lassen. Jetzt liegt es da wie ein fast totes Tier und atmet nur noch ganz schwach. Der Fotograf Thomas Kläber beobachtet diese, seine Landschaft seit über 30 Jahren. Auf seinen Bildern zeigt er ihre Entstellungen, die tiefen Wunden und kilometerlangen Narben. Kläber zeigt die Lausitz als eine Schmerzenslandschaft, die stumm leidet. Er zeigt aber auch den ganz schwachen Atem, der das Leben zurückbringt in diesen geschundenen Landschaftsleib.

Insgesamt 30 Fotografien von Thomas Kläber aus dem Lausitzer Revier, dem zweitgrößten Braunkohleförderungsgebiet in Deutschland, sind in der Ausstellung „Wandlungen“ in der Brandenburgischen Landeszentrale für Politische Bildung derzeit zu sehen. Ergänzt werden sie von 15 Materialbildern von Werner Jaschinsky, in denen er sich auf ganz eigenwillige Art mit der vom Menschen zerstörten Natur auseinandersetzt. So sind Kläber und Jaschinsky der entstellten Lausitz auf ihre ganz eigene Weise zu Leibe gerückt. Zwei Menschen, die durch ihre Kunst auch Hand anlegen. Aber respektvoll und fast behutsam, mit genauem Blick und immer würdevoll.

Thomas Kläber, der in Kolkwitz bei Cottbus lebt, bleibt auf seinen Bildern oft auf Distanz. Er sucht den weiten Blick um die Dimensionen der Wandlungen, die diese Landschaften durchmachen mussten, sichtbar zu machen. Mal sind es die Abraumhalden, die je nach Lichteinfall entweder tödlich-kalt oder traumhaft schön aussehen. Und immer wieder die riesenhaften Abraumbagger, nimmersatte Maschinen, die gemächlich das Land durchkauen und das, was sie nicht brauchen, wieder ausspucken. Es liegt eine seltsame Stille, eine gewisse Starrheit über diesen Landschaften in den derzeit noch aktiven Braunkohleabbaugebieten Nochten, Reichwalde, Welzow-Süd, Jänschwalde und Cottbus-Nord. Und es dauert, bis man erkennt, warum diese Stille, dieses Starre so bedrückend ist. Denn diesen Landschaften fehlen das Gras, die Sträucher und Bäume, in denen zumindest der Wind zu erahnen wäre. Und doch, es ist nicht nur totes Land, das Kläber hier zeigt. Er hat auch die schönen Momente entdeckt. Die Augenblicke, wenn dieses Land doch wider Erwarten ganz schwach atmet. Das sind dann nicht nur Bilder von den geplanten 14 000 Hektar, die renaturiert werden sollen. Wo der Mensch wieder Hand anlegt, um die Schäden, die er seit über 100 Jahren dort angerichtet hat, und die ihm längst selbst unheimlich erscheinen, wieder beheben will. Wandlungen, die wirken wie hilflose Wiedergutmachungsversuche. Denn so einfach verzeiht diese Landschaft nicht.

Im Vergleich zu den Fotografien von Thomas Kläber wirken die Materialbilder von Werner Jaschinsky wie Blicke in ein Mikroskop. In seinen Werken, die zum Teil für diese Ausstellung entstanden sind, hat Jaschinsky Steine und Papier, Moose und getrocknete Gräser verarbeitet. Manchmal sind es auch die Überreste von Plastikblumen, die hier zu finden sind. Reliefs und Schichten mal in kühlen, mal in warm-erdfarbenen Tönen gehalten, sind so entstanden. Kantige Landschaften, verwirrend, verstört und verwundet. Und irgendwie immer auch abweisend. Am stärksten und auch schmerzhaftesten sind hier die Materialbilder „Große Landschaft I“ und „Große Landschaft II“. Wie mit einer groben Peitsche wirken hier die Oberflächen zerteilt, wellt sich das geschundene Papier an den krustigen Rändern wie tote Haut, die es abzuwerfen gilt. Ob Leben darunter möglich ist, diese Frage lässt Jaschinsky offen.

Es liest sich wie eine makabere Randnotiz, dass dieser Braunkohlegier auch der Mensch dem Menschen zum Opfer fiel. Seit 1924 sind in diesem Lausitzer Revier 136 Orte verschwunden, mussten 30 000 Menschen umgesiedelt werden, ist das, was für viele einmal Heimat war, spurlos in den leeren Mondlandschaften der Abraumhalden verschwunden. Davon erzählt die Ausstellung „Wandlungen“ nur am Rande, durch kleine Details vor allem in den Materialbildern von Werner Jaschinsky. Vor dem monströsen Leiden der Natur wirkt das menschliche Schicksal einfach nur banal.

Bis zum 20. Februar in der Brandenburgischen Landeszentrale für Politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107, Haus 17, montags bis mittwochs, 9-18 Uhr, donnerstags und freitags, 9-15 Uhr

Dirk Becker

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