Kultur: Schnick, Schnack, Schnuck – Collage
Raus aus Golm: Angehende Kunstlehrer stellen in den Bahnhofspassagen aus
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Raus aus Golm: Angehende Kunstlehrer stellen in den Bahnhofspassagen aus „Endlich, endlich, endlich eine prominente Örtlichkeit für die Künstler aus Golm“ steht im Gästebuch zu der in den Bahnhofspassagen gezeigten Austellung „Material – Bild – Material". Örtlichkeit oder Ort? Künstler oder angehende Kunstlehrer, die im abgeschiedenen Flecken hinter dem Golmer Berg den künstlerischen Ausdruck üben? Die 35 präsentierten Objekte und Videofilme zum Thema Collagen zeigen die gesamte Bandbreite auf. Wer hatte nicht verblüffende Ergebnisse für seinen Kunstunterricht erzielt, in dem im väterlichen Hobbykeller nach entbehrlichen Kleinteilen und Farbresten gesucht wurde? Und Schnick, Schnack, Schnuck, versehen mit einem metaphorischen Titel, wie politisch: „Welteroberer", ein wenig verträumt: „Kabelsalat“ oder auch gesellschaftskritisch: „Konsumrausch“, schon hat man ein Kunstwerk! Rostige Nägel, altes Holz, Metallbeschläge. Man sieht förmlich die Kunstschüler den Golmer Unikeller nach Verwertbarem durchstreifen. Eine „Bildzeitung“ in ein Apothekerglas zu stecken und Giftschrank dranzuschreiben, das nennt man „epigonal". Das Seminarziel mag erreicht sein, für die Bahnhofspassagen reicht es allemal, oder, wie es ein wohlwollender Professor ins Gästebuch geschrieben hat: „Collage umfasst menschliche Aktions- und Handlungsweise in Raum und Zeit. Dieses Prinzip ,Collage’ haben sie voll verstanden." Es gibt aber auch sehr eigenständige Arbeiten zu sehen. Allen voran, herausragend wie ein Leuchtturm, die beiden Installationen von Markus E. Laspeyres. So seine „Olympische Tretmühle". Verwendetes Material seiner Collage: ein alter Adidas-Turnschuh, Kunstrasen, Sand und ein Grillmotor. Dessen simple Drehbewegung drückt den Schuh immer wieder auf den Sand, der Sprung zum Erfolg wird zum leerlaufenden Automatismus. Geniale Idee, souveräne Ausführung. Technisch noch komplizierter und verblüffender, Laspeyres zweites Objekt, das leider nicht betitelt ist. In einer seltsamen Glaskolbenanlage in einer Ecke des Raumes sprudeln unablässig kleine Dia-Bilder. Links vom Kolben eine starke Lampe, rechts eine aufnahmebereite Videokamera. Auf der anderen Seite des Ausstellungsraumes nun steht ein TV-Bildschirm, auf dem man diese willkürliche Bildercollage mitsamt zauberhaftem Blasenspiel mediengebrochen bewundern kann. Hier vereinen sich kühler Versuchsaufbau und der Einsatz distanzierender, da medial übertragender Videotechnik zu einem überraschend romantischen Ausdruck. Der Zufall und das Rauschen der Bildübertragung befördern hier die Fantasie. Die konsumkritischen Readymades von Daniela Schultz, eine in einen Plaste-Beutel von Aldi gänzlich eingewickelte Babypuppe oder ein Haufen billiger Kunststoffspielzeug, weisen in eine gute Richtung. Einfach und ansprechend, aber gerade deshalb überzeugend sind die beiden Kyoto-Arbeiten von Anne Pflanz: ein Stück Holz wird von rostigem Blech eingeschnitten und durchbohrt. Collage – Schnick, Schnack, Schnuck, und es wird Kunst draus! Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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