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Kultur: Schnörkellose Saitenarbeit

The Wallfisch Band im Raffaelsaal

Stand:

Nanu, wo sind denn die Noten? Vielleicht noch in der Garderobe? Verlegen eilt der Vergessliche dorthin und kehrt sichtlich erfreut, wenn auch verspätet auf’s Podium zurück. Dort warten die Mitglieder der siebenköpfigen The Wallfisch Band, benannt nach der Geigerin und Gründerin der britischen Spezialtruppe für Frühbarock, in der alte Hasen und aufstrebende junge Musiker gemeinsam musizieren. Mit ihrem Musikfestspiele-Programm versuchen sie einen Einblick in die „Dresdner Violinschule“ zu geben, das am Pfingstmontag im Raffaelsaal der Orangerie Sanssouci viele Interessierte anlockt. Nach der Pause, zu Beginn des zweiten Teils, sind es sichtbar weniger geworden, die den Ausgrabungen weiterhin lauschen.

Zunächst überrascht, ja überrumpelt die forsche, fast ruppige Art des Musizierens frühbarocker deutscher und italienischer Kammermusik. Es beginnt mit der Sonata „La Polacca“ von Carlo Farina, der als einer der ersten transalpinen Musiker neueste Errungenschaften des Violinspiels nach Dresden bringt. Zusammen mit der Primaria vollführt Evan Few einen virtuosen Wettstreit: tempozügig, straff artikuliert, leicht schärflich, außerordentlich beweglich und fast immer wie auf dem Sprung. Bei aller Akribie historisierender Spielweise: die Instrumente hält man nicht wie einst, dafür gibt’s eine Prise Vibrato. Assistiert werden die beiden von Jaap ter Linden (Cello) und Albert-Jan Roelofs (Orgel, Cembalo). Der hat, sehr originell, auf’s Orgelpositiv den Cembalokorpus montiert, sodass die Klaviaturen übereinander liegen, was einen flotten Instrumentenwechsel ermöglicht.

Eine weitere Farina-Sonate „La Capriola“ klingt ähnlich, wird ebenso klangpräsent und analytisch musiziert wie die Sonata XII d-Moll von Pietro Andrea Ziani, in der neben den Violinen ebenfalls zwei Bratschen (Raquel Massadas, Isabel Meuser) den Ton angeben. Größtenteils wird er von Madam Wallfisch dominiert. Sie genehmigt sich solistisch die a-Moll-Sonate von Johann Paul von Westhoff, in der an spieltechnischen Raffinessen kein Mangel herrscht. Sonst so blitzsauber bei ihren Saitenarbeiten, verpatzt sie gleich mehrmals den kniffligen Einsatz mit dem Continuo. Few dagegen brilliert im D-Dur-Scherzo von Johann Jakob Walther, in dem es an Doppelgriffen, Arpeggien und anderen virtuosen Zutaten nicht mangelt. In seinen künstlerischen Ambitionen erweist sich das Stück als pure schulpädagogische Übung. Andere Beiträge wie ein Capriccio von Johann Vierdank, Sonaten von Clemens Thieme und Nikolaus Adam Strunck, in denen es von parallel geführten Dreiklängen nur so wimmelt, bestätigen solche Erkenntnis. Diese Stücke wären dem dreizehnteiligen, zweieinhalbstündigen Programmangebot entbehrlich gewesen. Und so bestätigt sich erneut: weniger ist oft mehr. Besonders, wenn es sich um Allzuvieles in gleichförmiger Machart handelt, was auf Dauer ermüdet. Das Ergebnis nach der Pause spricht dafür.

Durch Konzentration auf Wesentliches hätten die anderen Beiträge umso besser wirken können. Wie die dunkel getönte, von Seufzermelodik erfüllte e-Moll-Sonate oder die tanzquirlige h-Moll-Suite von Johann Wilhelm Furchheim, die abwechslungsreiche D-Dur-Suite von Johann Rosenmüller, vor allem aber das „Capriccio stravagante“ von Carlo Farina. Es entpuppt sich als ein „kurtzweilig Quodlibet“, in dem Pauken und Trompeten, Eselsgeschrei, Drehleiereien, spanische Gitarren, Militärpfeifer, Hahn und Henne und dergleichen Vergnüglichkeiten zu hören sind. Peter Buske

Peter Buske

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