Kultur: Schön war die Zeit
Zum Abschluss der Reihe „Im Garten vorgelesen“
Stand:
Zufriedene Gesichter beim Blick zurück auf das Gartenvorlesungsjahr 2012, ein etwas anderer zum Wetterhimmel. Veranstaltungstechnisch schien es der vergangene Sonntag nicht so gut mit der Urania zu meinen. Auffallend pünktlich eilten erste Wellen gut getarnter Regenwolken zur nachmittäglichen Lesung im gepflegten Pfarrgarten der Bornimer Kirchengemeinde heran: nicht sehr grau, doch dafür ordentlich feucht. Aber focht dies das gestählte und erprobte Publikum an? Mitnichten doch! Planen, Schirme, Capes, auch die dichtbeblätterten Bäume sorgten für einen zwar kühlen, aber reibungslosen Ablauf zur Ultimo-Veranstaltung des Jahres. Vorleser Klaus Büstrin hatte aus naheliegenden Gründen das Werk von Theodor Fontane nach Pfarr- und Herrenhäusern abgesucht, schließlich war man bei Eva-Maria und Oswald Schönherr in der Rückertstraße zu Gast. Das 1912 erbaute Gemeinde- und Wohnhaus wird von einem hochgewachsenen Koniferengarten gegen die B273 abgeschirmt, Art um Art. Im Hinterland gepflegter Rasen, reich tragendes Obstgehölz in Fülle, üppige Blumenbeete mehr am Rande, ein Seerosenteich mit goldenen Fischlein darin, alles sehr übersichtlich.
Unterm Goldparmänenbaum las Klaus Büstrin. Zuerst des Meisters Liebesgedicht an sein geliebtes „Havelland“, dann aus dessen Erstling „Vor dem Sturm“, wie Pfarrer Seidentopf über die letzte Verfügung der gerade verstorbenen Gräfin Amalie denkt: „Ihre Schwäche war ihr Glaube, ihre Stärke war ihr Mut!“ Warum aber Pastor Moritz als rechtmäßiger Nachfolger des volksnahen Pastors Schmidt beim Fahrländer Volk so schwer Fuß fassen konnte, steht in den „Wanderungen“ unter dem Jahr 1869 – ein Lehrstück für jeden Anwärter der Theologie! Schade nur, dass Klaus Büstrin dem „rückwärtsgewandten Konservativismus von Pfarrern“, so der Programmzettel, keinen Raum zu geben bereit war, das hätte die Lesung sicherlich produktiver gemacht und manche Passage belebt. Ein lampentrüber Nachtbesuch zur Gruft eines Gehängten in Falkenrehde und das Eingangskapitel zum „Stechlin“, wo der Gutsherr und Major a. D. Dubslaw gleichen Namens trefflich porträtiert ist, vervollständigten die Auswahl aus dem Werk unseres Größten vor Ort.
Musikalisch wurde der feine, aber nicht besonders aufregende Lesenachmittag von Christiane Moser auf der Blockflöte, Ulrike Fabienke auf der Oboe und Helgrid Pippig am Cembalo begleitet. Man gab Telemann, einen Satz aus der F-Dur-Sonate Anna Amalias von Preußen, ein bisschen vom Bach-Senior und Corelli. Klassik total mal wieder. Na gut, aber warum müssen es immer die ernsten, langsamen und getragenen Stimmungen sein, die in den Gärten klingen? Warum nicht mal Feuer, Heiterkeit, übermütiges Spiel mit den Noten, um jeder Müdigkeit und Langeweile vorzubeugen! Da fiele kein Apfel extra vom Baum und niemand täte so etwas verübeln. Mehr Mut zum Leben, wie es jeder Garten ja vormacht. Trotz des kategorischen Imperativs „Genieße!“ hat es die Urania in den letzten Jahren beinahe immer verstanden, dem Gartenlauben-Virus zu entfleuchen. Ist es nun nicht an der Zeit, das wohlvertraute Publikum mehr zu fordern, statt immer nur Erwartungen einzulösen? Mehr Temperament als Bürgersinn. Als Finale dann am Sonntag im Pfarrgarten der Bornimer Kirchengemeinde, klar, die Mär des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, von Klaus Büstrin besonders hübsch und locker vorgetragen. Ach ja! Gerold Paul
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: