zum Hauptinhalt

Kultur: Schöne Seiten des Sterbens

Viel soll ein gutes Konzert nicht bieten. Hingabe auf der Bühne, Versenkung im Publikum, Ernsthaftigkeit auf beiden Seiten.

Stand:

Viel soll ein gutes Konzert nicht bieten. Hingabe auf der Bühne, Versenkung im Publikum, Ernsthaftigkeit auf beiden Seiten. Im besten Fall können dabei diese Momente entstehen, die gern als einmalig bezeichnet werden.

Das Konzert der Potsdamer Sopranistin Christine Wolff und des Berliner Lautenisten Daniel Kurz am Donnerstag im Kammermusiksaal Havelschlösschen hatte sich einem heiklen Thema verschrieben: Dem Sterben. Doch es wurde kein Abend der Verklärung oder Klage. Es wurde ein Konzert der Leichtigkeit und gelegentlich auch der Ausgelassenheit.

Mit Hildegard von Bingens „O frondens virga“ eröffnete Christine Wolff den Abend. Außerhalb des Kammermusiksaales, versteckt hinter einem Vorhang, sang sie durch ein geöffnetes Fenster. Fein intoniert, als würde eine Stimme von irgendwo herüberwehen, provozierte dieses Versteckspiel bei vielen im vollen Saal ein suchendes Recken der Hälse. Aufbrechen bekannter Sichtweisen und Einstellungen – so konnte man dieses anfängliche Verbergen verstehen, ging es Christine Wolff mit den Liedern doch darum, dem Sterben die uns innewohnende Angst zumindest ein wenig zu nehmen.

War ihr Heinrich Schütz“ „Eile, mich, Gott, zu erretten“ noch ein dramatischer und effektvoll inszenierter Klagegesang, fand Christine Wolff mit schottischen Volksliedern wie „In a garden so green“ und Henry Purcells „Since from my dear“ einen weichen Ton, der mit Feinheiten spielte, auf Verzierungen verzichtete und so eine Stimmung schaffte, die mit Schlichtheit überzeugte. Unbestreitbare Höhepunkte waren jedoch die Sterbeszene der Euridice und das Lamento des Orfeo aus Luigi Rossis „Orfeo“. Bis in allerfeinste Nuancen zeichnete Christine Wolff hier grenzenlose Verzweiflung, Aufbäumen und schließlich Hingabe an das Schicksal nach. Daniel Kurz auf der Theorbe als Wolffs Begleiter zurückhaltend, solo als luftiger Kontrapunkt. Kapsbergers „Passacaglia“ und Piccininis „Chiaccona“ gerieten ihm zum sprudelnden Lebensquell mit einem Ton, der fast schon greifbar war. Das gut 70-minütige Konzert von Christine Wolff und Daniel Kurz bot so viel Hingabe, Versenkung, Ernsthaftigkeit und eine Vielzahl dieser gern als einmalig bezeichneten Momente. Lang anhaltener Applaus. Dirk Becker

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })