Kultur: Schönheit im Schlichten
Dass es regnete, bemerkte man erst in der Pause beim Gang um die Neuen Kammern in Sanssouci. Das überraschte, hatte man doch fast eine Stunde lang in der Ovidgalerie gesessen, mit dem Blick auf die großen, verglasten Terrassentüren.
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Dass es regnete, bemerkte man erst in der Pause beim Gang um die Neuen Kammern in Sanssouci. Das überraschte, hatte man doch fast eine Stunde lang in der Ovidgalerie gesessen, mit dem Blick auf die großen, verglasten Terrassentüren. Oft ging der Blick nach draußen in den Park, doch schaute man nicht bewusst, nicht auf das, was dort geschah. Der Blick ging ins Leere, weil man einfach nur hören wollte.
Mit ihrem Programm „Wie Orpheus Gesang. Arie veneziane – die hohe Kunst des Gesangs“ betrieben Marco Horvat und Bruno Helstroffer am Donnerstag beim Publikum vorsätzlich die Reduzierung auf nur ein Sinnesorgan. Keine Inszenierung, Kostüme oder ähnliche Begleiterscheinungen, die das Musikalische oft umrahmen. Nur Gesang und der Klang von Barockgitarre und einer französischen Chitarrone. Es braucht nicht viel, um hohe Kunst zu zelebrieren.
Gesungenes Schauspiel war, was Marco Horvat an diesem Abend den Musikfestspielen zeigte. Allein seiner Stimme war die Rollenverteilung überlassen, nur selten ein paar Gesten mit der Hand, wenn er sich mal nicht auf der Barockgitarre begleitete. Lieder unter anderem von Bellerofonte Castaldi, Giulio Caccini und und Carlo Milanuzii, die um 1600 zwar als Arien bezeichnet, doch mit der gerade im Entstehen begriffenen Barockoper nichts zu tun hatten. Virtuosität liegt hier im Einfachen, Schönheit im Natürlichen, die keiner überbordenden Verzierungen und Tonkaskaden bedarf. Horvat sang diese Lieder mit warmer, wandlungsfähiger und berührender Stimme, die fast schon wie Orpheus Gesang eine heilende Wirkung hatte. Begleitet wurde er von Bruno Helstroffer auf einer französischen Chitarrone. Zwischen diesen Liedern Solostücke vom großen Johann Hieronymus Kapsberger, die Helstroffer mit einer Ruhe und Gelassenheit, die schon meditative Züge annahm, und einem Ausdruck und einer Dynamik in seinem Ton interpretierte, die ihn fast schon zur eigentlichen Entdeckung in diesem Konzert werden ließen.
Marco Horvat und Bruno Helstroffer belegten an diesem Abend mit ihrem Zusammenspiel auf eindrucksvolle Art die alte Weisheit, dass wahre Schönheit im Schlichten ruht. Dirk Becker
Dirk Becker
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