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Kultur: Schönheit, Schmelz und Todesseufzer

Der Pauls-Chor Berlin sang zur Sommermusik in der Heilandskirche Sacrow

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Außerhalb des sonst üblichen Rhythmus der „Sacrower Sommerkonzerte“ zog der Berliner Pauls-Chor in die Heilandskirche ein, um dem trotz Sommerschwüle recht zahlreich gekommenen Publikum sein neues Programm vorzustellen. Rechts und links, hoch unterm Dach, grüßten die zwölf Apostel, vorn in der Apsis ein Christusbild, bewusst an die Friedenskirche erinnernd, mithin an den Geist der Renaissance. Dazu passte natürlich der erste Teil des Konzertes mit Auszügen aus Claudio Monteverdis Madrigalbüchern Nummer vier und acht. Der 1999 gegründete Laienchor aus Berlin-Mitte besteht aus sechzehn Stimmen, darunter fünf Herren. Jan-Ole Pahnke leitet ihn mit großem Engagement. Da man in der Originalsprache sang, rezitierte Florian Meyer die Texte vorab mit unterschiedlichem Ausdruck auf Deutsch und so erfuhr man, was es mit dieser doppelten Schönheit auf sich hatte – mal belebend, mal tödlich, doch stets von dieser Welt.

Nur in dem ersten Stück, „Nun, da Himmel und Erde das erste mal schweigen“ kamen mit Johanna Schneider, Nikolaus Maier (Violinen) sowie Jorina Lünenbürger (Cello) auch Instrumentalisten zum Einsatz, alles andere wurde A- cappella gesungen. Monteverdis „kleine Hirtenlieder“ sind prallvoll von Seufzern und Beglückungen ob erfüllter oder unerfüllter Sehnsucht. Sie schmelzen geradezu von Liebeslust und Liebesklagen, dass man es kaum glauben mag: Sterben möcht ich, an dem Mund der Geliebten hängen, würzige Zunge, Wonne – musikalische Erotik pur. Leider ist es dem Chor nicht allein in diesem Madrigal kaum gelungen, solcherart Wallung mit Emphase herüberzubringen, es wirkte fast wie ein Klagegesang. Im dritten, „Ach schmerzvoller Abschied, Ende meines Lebens“, überwogen technische Schwächen, lyrisch, vorsichtig, zart das letzte Stück vor der Pause. Selten nur war der volle, runde „Sound“ des Cremoner Komponisten zu hören. Dieser Teil hinterließ einen unsicheren Eindruck. Vielleicht sollte man den Damen etwas Zurückhaltung, den Herren mehr Mut für weitere Auftritte wünschen.

Nachdem man bei einer Pause dankbar den Seewind empfing, wurde es schlagartig besser. Nun war der Chor ganz bei sich, als die acht verblüffend einfachen Chorsätze von Francis Poulenc vorzutragen waren, welche er zwischen 1945 und 1947 auf alte französische Volkslieder setzte. Wunderbare, so leichtfüßige Chansons voller Scherz und Koketterien. Clic-Clac, sangen die Stiefelchen der fünf Herren im Wechselgesang mit ihrem Meister beim Brautwerben, „Dreschen wir die Gerste!“ erscholl mit aller Wut, denn die Maid will partout nicht diesem „gemeinen Kerl“ gegeben werden.

Das alles war leicht, hell, so überzeugend geboten, dass man sich noch nachträglich über den etwas bleiernen Monteverdi-Vortrag wunderte. Hier stimmte alles, Einsätze, Chor- und Stimmführung, Gestus, Ausdruck, es war einfach schön und überzeugend. Gerold Paul

Am 6. Juli singt Countertenor Karsten Henschel geistliche Arien, am Piano Zsuzsa Varga. Beginn: 15 Uhr.

Gerold Paul

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