zum Hauptinhalt

Kultur: Schonungslose Bestandsaufnahme

„Made in GDR“ beim Aktuellen Potsdamer Filmgespräch im Filmmuseum

Stand:

„Man muss verstehen zu leben und zu genießen vor allen Dingen.“ Diese damals eher ungewöhnlichen Worte sagte ein sympathischer sommersprossiger Junge während einer Sendung des Jugendfilmclubs im ehemaligen DDR-Fernsehen. Marian gehörte zu den jugendlichen Filmenthusiasten, die von 1975 bis 1978 vor laufender Kamera zu Filmen wie „Blutige Erdbeeren“, „Für die Liebe noch zu mager“ oder „Die Kraniche ziehen“ leidenschaftlich diskutierten. Doch es ging nicht vorrangig darum, das Gesehene zu analysieren, sondern vor allem um die sogenannten großen Sinnfragen, die die gerade 16-Jährigen damals bewegten.

Auch der heutige Regisseur Olaf Kaiser gehörte zu diesem Kreis und die Gesprächsrunden haben ihm nicht nur in beruflicher Hinsicht viel bedeutet. In den 90er Jahren fand Kaiser die alten Aufzeichnungsbänder. Daraufhin machte er sich auf die Suche nach seinen damaligen Mitstreitern. Die erneuten Begegnungen mit einigen von ihnen dokumentierte er 2006 in dem Film „Made in GDR - Alles über meine Freunde“, der am Dienstagabend im Filmmuseum in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ zu sehen war.

Faszinierend, wie es der 90-minütigen Dokumentation gelang, mit der Gegenüberstellung von den alten Schwarz-Weiß-Aufzeichnungen und den erneuten Begegnungen, in nur wenigen Einstellungen sehr unterschiedlich gelebtes Leben plastisch werden zu lassen. So trifft der Regisseur Marian – den Jungen mit dem Plädoyer für Lebenskunst – auf einer 18-monatigen Fahrradtour durch Nord- und Südamerika. Oder er geht zu dem ehemaligen Philosophiestudenten Stefan nach Aachen und besucht zuletzt auch seine einstige Jugendliebe Kirsten in Berlin. Doch inzwischen sind mehrere Jahrzehnte vergangen und es wird schnell deutlich, wie wenig von der damaligen Freundschaft übriggeblieben ist. Das mag nicht zuletzt an der Art und Weise liegen, mit der der Regisseur seinen Protagonisten begegnet ist. Marian, der wie Stefan, Dieter und die anderen ziemlich zufrieden mit dem scheint, was er erlebt und erreicht hat, konfrontiert er unvermittelt mit seiner Vergangenheit.

Vor laufender Kamera zeigt er ihm Dokumente, die auf eine Stasi-Mitarbeit hinweisen. Genauso unvermittelt „tritt“ er in das Leben der Veterinärmedizinerin Christine und ihrer Tochter. Indem er beide direkt damit konfrontiert, bisher niemals offen über die wirklichen Gründe der Trennung der Eltern gesprochen zu haben. Die inzwischen erwachsene Tochter hatte bis dahin geglaubt, „dass der Vater uns nicht mehr wollte“ und deswegen auch keinen Kontakt zu ihm gesucht hat. Nicht eben leicht, auch als unbeteiligter Zuschauer so viel bisher Unausgesprochenes in einem Rechtfertigungsmonolog der Mutter vor laufender Kamera zu erleben.

In dem sich anschließenden Filmgespräch mit Knut Elstermann betonte der Regisseur, dass er weder als Voyeur noch als Inquisitor auftreten wollte, aber durchaus der Faszination der authentischen Geschichten erlegen ist. Außerdem war es ihm wichtig zu zeigen, mit welchen Verdrängungen und Verstrickungen auch die heute Mitvierziger leben und er hofft, dass so eine schonungslose Bestandsaufnahme durchaus ein Weg für mehr Aufrichtigkeit im gegenseitigen Miteinander sein kann.

Der in der Kritik kontrovers diskutierte Film wurde vom Potsdamer Publikum, nicht zuletzt wegen seiner ironischen Untertöne, sehr interessiert und mit viel Beifall aufgenommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })