Kultur: „Schule ist ein Geschichtenfass“
Heute liest Wladimir Kaminer in Potsdam – Ein Gespräch über Schule und die Verschwörung der Frau
Stand:
Herr Kaminer, ist Ihr neues Buch „Salve Papa!“, in dem Sie größtenteils Geschichten von Ihren beiden Kindern erzählen, ein verkappter Ratgeber?
Nein, es ist ein Plädoyer für Kinder. Man darf sie nicht unterschätzen und auch keine Angst vor ihnen haben.
Wer hat denn Angst vor Kindern?
Viele Eltern haben Angst vor den eigenen Kindern. Sie stehen ständig unter Zwang, glauben, immer nur erziehen oder etwas beibringen zu müssen. Wir sollten mehr Vertrauen haben in unsere Kinder.
Darum also Ihr neues Buch?
Die Idee für „Salve Papa“ kam, als meine Tochter nach vier Jahren Grundschule auf das Gymnasium gewechselt ist. Die Grundschule war schon lustig. Aber ich hatte nicht erwartet, dass sich das Gymnasium als eine solche interessante und neue Welt darstellen würde. Das ist total spannend, denn ein Gymnasium ist ja keine Wissensschmiede, sondern eine Sozialeinrichtung.
Eine Sozialeinrichtung?
Dort wird den Kindern beigebracht, mit unterschiedlichen Individuen in einer vielschichtigen Gesellschaft zurecht zu kommen.
Herr Kaminer, wir reden hier über Schule.
Ja genau, denn auf diesem recht kleinen Fleck findet man auch alle Probleme aus der Erwachsenenwelt. Angefangen bei Mann und Frau, bis hin zu Krieg und Frieden, von Fremdenfeindlichkeit bis zu den Schwierigkeiten, die Männer heutzutage haben. Das aus Sicht der Kinder zu betrachten, hat mir großen Spaß gemacht.
Jetzt übertreiben Sie aber!
Nein, ich rede hier über die Schwierigkeiten, die Männer in einer weitgehend feminisierten Gesellschaft wie der unsrigen haben. In einer Gesellschaft, die von Frauen bestimmt wird und wo sie täglich versuchen, sich zu behaupten.
Das erkennen Sie alles beim Blick auf den Schulhof?
Wenn ich meinem Sohn dabei zuschaue, wie er sich da auf dem Schulhof abquält. Um sich zu behaupten, muss er den Mädchen an den Zöpfen ziehen. Die sind zehn Kilo schwerer und meist einen Kopf größer.
Vielleicht sollte er sich nicht mit den älteren Mädchen anlegen?
Ach, die gehen alle zum Karate oder spielen Fußball. Das ist hochkomplex. Die Lehrer als wichtigste Vertrauenspersonen sind alles Frauen. Selbst der Bundeskanzler ist eine Frau. Das ist eine Verschwörung!
Also deckt Ihr so harmlos wirkendes Buch „Salve Papa!“ die große Verschwörung der Frauen gegen die armen Männer auf?
Nicht nur die.
Aber ganz so schwer hat es Ihr Sohn doch nicht. Sie erzählen von seiner außergewöhnlichen Geschäftsidee, Lutscher in seiner Schule an den Meistbietenden zu verkaufen. Da kann er sich auch gut gegen die Mädchen durchsetzen.
Ja, und dann berichtet er mir davon auch noch voller Stolz. Die Schule ist jetzt aber keine normale Grundschule mehr. Die heißt jetzt „Umweltschule“. Demnächst werde ich dort lesen und das gesammelte Geld wahrscheinlich einem Heim für entlaufene Katzen spenden. Aber so ist das mittlerweile in ganz Berlin, es gibt keine normale Schule mehr. Die heißen jetzt alle entweder Öko- oder Bio- oder Umweltschule.
Das ist doch der Trend. Niemand will seine Kinder mehr auf eine normale Schule schicken.
Genau! Aber wir hatten uns vor vier Jahren auf die Suche nach einer Schule gemacht, die nichts Besonderes hat. Das war sehr schwierig. Obwohl es hier in Prenzlauer Berg ein sehr großes Angebot gibt. Wir haben hier beispielsweise eine Montessori-Schule.
Die kam für Sie nicht in Frage?
Nein, da werden die Kinder immer gefragt, ob sie überhaupt Lust haben zu lernen. Die sitzen dann den ganzen Tag auf den Schaukeln im Hof und werden jede Stunde wieder gefragt, ob sie jetzt Lust auf Mathematik haben oder doch lieber weiterschaukeln wollen. Dann haben wir noch eine katholische Grundschule.
Lassen Sie mich raten: Die hat Ihnen auch nicht gefallen.
Die war uns unheimlich.
Unheimlich?
Mein bester Freund hat dort seine Tochter hingeschickt und sich für die Einschulung bei mir die Videokamera ausgeliehen. Ihm wurde dann aber ein Filmverbot erteilt. Angeblich soll ein Video, das in dieser Schule gedreht wurde, auf irgendwelchen, nicht jugendfreien Seiten im Internet gelandet sein.
Da tun sich ja wahre Abgründe auf.
Genau, darum haben wir uns damals für eine ganz normale Grundschule entschieden. Die trug keinen Namen und sah auch so aus. Aber ab diesem Jahr heißt sie Umweltschule. Am Montag hat das neue Schuljahr begonnen und mein Sohn hat schon wieder neue Geschäftsideen. Aber das haben wir bald unter Kontrolle.
Wie das?
Da gab es einen Wettbewerb unter dem Motto: Was können wir für unsere Umwelt tun. Verschiedene Kinder haben sich dabei mit bestimmten Ideen hervor getan, darunter auch mein Sohn.
Und was will Ihr Sohn nun für unsere Umwelt tun?
Der hat ganz groß geschrieben: Weniger furzen. Die Episode wollte ich noch gern in „Salve Papa!“ erzählen, aber da war das Buch schon in Druck.
Das klingt ja verdächtig nach einem zweiten Teil.
Ja, Schule ist ein Geschichtenfass ohne Boden. Aber zuerst muss ich Richtigstellungen schreiben.
Wer will Sie denn wegen dieser Familiengeschichten belangen?
Meine Kinder. Die haben das Buch jetzt zum ersten Mal durchgelesen und kamen sofort mit einem Haufen Richtigstellungen zu mir und sagten, in der Geschichte stimmt dies nicht, in der anderen das nicht. Mein Sohn besteht darauf, dass er nicht mit Marie-Luise zusammen ist. Das muss ich alles in der nächsten Auflage richtig stellen.
Da kommt wohl Arbeit auf Sie zu?
Ja, ich werde mindestens 30 Seiten Richtigstellungen schreiben müssen.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Wladimir Kaminer liest heute, ab 20 Uhr, in der Waschhaus Arena aus „Slave Papa!“. Der Eintritt kostet 12, ermäßigt 10 Euro.
„Wir hatten uns auf die Suche nach einer Schule gemacht, die nichts Besonderes hat. Das war sehr schwierig. Obwohl es hier in Prenzlauer Berg ein sehr großes Angebot gibt.“
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