Jan Josef Liefers im Nikolaisaal: Schuljungenhafte Unbeholfenheit
Gefühlsduseliges Erinnerungsprogramm: Jan Josef Liefers’ saft- und kraftloser Auftritt im Nikolaisaal. Walter Ulbricht und Erich Honecker waren die Stichwortgeber für Schwelgereien in Zeiten der Thälmann-Pioniere.
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Nebelschwaden waberten über die Bühne des Nikolaisaals, doch die schummerig rotleuchtende Nebligkeit konnte doch nicht darüber hinweghelfen, dass ein Rockkonzert mit Sitzplätzen von vornherein zum Scheitern verurteilt sein muss. Bands wie Pink Floyd mag das vielleicht noch ganz gut stehen, aber das bequeme Sesselpublikum im Nikolaisaal ließ sich wortwörtlich einfach nicht von den Sitzen reißen.
Nun kann man das Event schönreden, wie man will, und vielleicht gehört sogar schon guter Wille dazu, zu behaupten, dass dieses Konzert irgendwo draußen open air viel besser gewesen wäre. Nein, sehen wir bereits hier der harten Wahrheit ins Gesicht: Jan Josef Liefers mag einer der besten deutschen Schauspieler sein, und wenn man ihn auf seine Rolle als von zuletzt knapp 13 Millionen Zuschauern gesehenen Gerichtsmediziner im Tatort beschränkt, dann verdient er Respekt. Als Rockmusiker hat er sich den jedoch nicht verdient.
So blieb im Laufe des Abends einfach unklar, was Jay Jay Liefers mit diesem gefühlsduseligen Erinnerungsprogramm an seine Jugend und Kindheit unter dem Roten Stern bezwecken wollte. Ziemlich ungelenk wand er sich um seinen Mikrofonständer, das Hemd bis zur Brust geöffnet, das Gesicht mit einem Hut schattiert als seltsame Karikatur eines Rockmusikers – und als er sich einem Ischiasanfall gleich nach vorne lehnte, wollte man fast nach einem Arzt rufen.
Liefers’ Körpersprache wirkt genauso kraftlos, wie seine Stimme klingt, seine an Joe Cocker gemahnenden winkenden Handbewegungen waren dabei eher Michael J. Fox als Jan J. Liefers. Und bereits nach dem Opener wirkte er so hyperventilierend ausgepowert, als wäre er drei Stationen dem Bus hinterhergerannt.
Nun sind seine balladesken Belanglosigkeiten über Gärten der Liebe und Vollmond-Affinitäten so unfreiwillig komisch, dass sie wirklich nur als Rahmen für die Anekdötchen herhalten können, denen Liefers sich nicht zu schade ist. Im Hintergrund blendete er immer und immer wieder Walter Ulbricht und Erich Honecker ein und räumte auch Sudel-Ede vom Schwarzen Kanal ein Statement ein. Das Ganze wirkte so harmlos, dass er sich den Ostalgie-Schuh einfach anziehen lassen muss. Kein kritisches Wort, nur harmlose Schwelgereien in Zeiten der Thälmann-Pioniere – ein verhuscht wirkender Traumtänzer, dem es spürbar unangenehm zu sein scheint, vor Publikum zu stehen.
„Ich brauche hier, glaube ich, nicht zu sagen, wer Karat ist“, kündigt er einen Coversong an – natürlich nicht, Karat dürfte ja selbst im Ruhrgebiet ein Begriff sein. Doch spätestens, als Liefers eine katholische Sabrina auf die Bühne zerrt, die er mit zittriger Stimme anschmachtet, als brauche er nur etwas zum Festhalten, das massiver als ein Mikrofonständer ist – da tut sich gnadenlos auf, wie weit entfernt vom Frontmanncharme eines Robbie Williams er sich befindet. Klar, dass sie auf der Bühne schmolz, aber wohl mehr aufgrund der schuljungenhaften Unbeholfenheit des Dresdner Schauspielers. Liefers redet viel, versucht krampfhaft witzig zu sein, scheitert dabei aber an seiner aufgesetzten Bemühtheit. Humor ist das nicht, wenn man sich, vom eigenen ersten Klassenfoto inspiriert, zu ein paar Gehässigkeiten über eine ehemalige Schulkameradin hinreißen lässt.
Dabei stockt und stottert er, dass er als Antithese eines Moderators durchgehen mag. Die ältere Generation kann sich dabei vielleicht in ihre eigenen Erinnerungsvergleiche flüchten, für die jüngere blieb nichts als gähnende Langeweile und vielleicht noch die Putzigkeit des Protagonisten.
Nun ist Liefers – man möge die erneute Reduzierung verzeihen – nicht der einzige singende Tatort-Darsteller, sein Kollege Axel Prahl hängt sich ja auch gern mal die Gitarre um, wobei er authentischer zu wirken in der Lage ist. Allerdings kann in dieser Reihe der von der Zone gebeutelte Manfred Krug wohl die meisten Punkte einheimsen, wobei der Ausgebürgerte sich niemals in retrospektiver Verklärung unter einen überlebensgroßen Ulbricht auf die Bühne stellen würde. Vielleicht täte Liefers einfach gut daran, das musikalische Feld seiner Ehefrau Anna Loos zu überlassen. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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