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Kultur: Schwarz-Weiß verwaschen oder „Das Ei ist rund“

Das Freyer-Ensemble mit Texten von Beckett und Giacometti „Über die Einsamkeit der Dinge“

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Das Freyer-Ensemble mit Texten von Beckett und Giacometti „Über die Einsamkeit der Dinge“ Am Anfang war ein Gespräch mit dem Stuhlnachbarn über die Frage, ob denn zu dieser illustren Vorstellung in der Kellermann-Villa auch Publikum aus Potsdam gekommen sei, man sehe ja nur Hauptstädtische. Offenbar hatte das 1992 gegründete „Freyer Ensemble“ am Sonntagabend tatsächlich seine metropole Fangemeinde mitgebracht, um mit Texten von Beckett und Giacometti „Über die Einsamkeit der Dinge“ zu räsonieren. Aber gemach, Potsdams kulturelle „Szene“ war keinesfalls zu übersehen. Gespielt wurde da, wo Rita Feldmeier erst kürzlich mit ihrem Drogenstück brillierte und großformatige Bilder von Achim Freyer hängen, international anerkanntes Multitalent in Sachen Malerei und Bühnenbild, dazu ob seiner unverwechselbar ästhetisierenden Bildsprache ein sehr gefragter Regisseur. Auch in diesem Raum mit Seeblick war alles Freyer. Der 1934 geborene Brecht-Schüler hatte die Texte der absurdischen Giganten schon 1995 zu einem 45-minütigen „Theaterstück“ gefügt, die Ausstattung besorgt und natürlich selber Regie geführt. Alles war in einem verwaschenem Schwarz-Weiß gehalten, die quadratische Bodenabdeckung, der „Giacometti-Stuhl“ und die beiden Darsteller seines Ensembles, Kunstfiguren ad hoc, welche sich nach dem Bildgestus des italienischen Bildhauers und Malers hielten, oder bewegten: Im Gehen verharrend, am Boden gekrümmt, im Laufen tief zum Boden gebückt, so eroberten sich Michael Hirsch und Henryk Antoni Opiela ihren Raum, direkt vom Publikum umgeben. Das war so gar nicht gedacht, hörte man, denn Freyers Text-Visualisationen wünschen den Abstand der Augen, damit sie „richtig“ wirken. So schlimm war das aber nicht, denn manche der zahlreich erschienenen Gäste schauten weit ins Leere, um dem abstrusen Textpulk auch stringent genug folgen zu können. Angekündigt war ein Stück „für Alberto Giacometti“ über die Schwierigkeiten des Kunstschaffens, doch bekam man bald den Eindruck, als handele es sich bei den zitierten Großen einfach nur um Denkprobleme. Der Italiener, bekannt durch seine langbeinigen, abgemergelten Figuren, hatte ja exklusiven Hang zu Selbstmord und Tod. „Aber warum, warum scheinen uns die blumen so wunderbar? Das Ei ist rund/ die Erde weint am Himmel/der Stuhl/er stand/ einfach so einfach so/da, eine Stille/ als ob Bewegung nur eine Folge punktueller Unbeweglichkeit wäre“, heißt es in dem Text „Über die Einsamkeit der Dinge“. Einsam waren wohl eher die Gehirne solcher Kulturbringer. Wie dem auch sei, gespielt wurde mit höchster Spannung und einer prächtig gearbeiteten Sprache in streng geordneten Arrangements, doch so bitterernst konnte das Ganze nun auch wieder nicht gemeint gewesen sein, denn zweimal stiegen die Darsteller aus, um sich über das Duschen und die Wassertemperatur des Heiligen Sees zu verständigen; auch gab es schönherbe Brüche in den Dialekten. Nein, man musste weder Beckett und Giacometti folgen, noch Achim Freyer. Ganz nett war es, bei so viel eingebautem Abstand, trotzdem. Freyer wäre vor Jahren auch gern nach Potsdam gezogen, wo dieses Stück jetzt erstmals gezeigt wird. Aber wichtige Details der noch unfertigen Schiffbauergasse hätten ihn abgeschreckt. Was er „von, für, um und frei nach Giacometti“ zusammengestellt, sei unbedingt ein Original, wie jede seiner Arbeiten – über 20 Inszenierungen allein mit dem Ensemble seines Namens: „Ich wiederhole mich nicht!“ so sprach er mit Nachdruck. Und fügte, bevor er zu der wartend-gemischten „Szene“ entschwand, noch sein Credo hinzu: „Die Hauptsache ist aber das Malen“. Wie es also war? Berühmt war’s am Sonntag! Gerold Paul Die Freyer-Ausstellung wird bis zum 18. Februar verlängert.

Gerold Paul

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