Kultur: Schwarze Winde und Gottes Atem Kyrie Kristmanson im Nikolaisaal
Die Seele der weiten kanadischen Felder, schwarze Winde und die Geister der Geschichte sind die Quelle ihrer Inspiration. Munter wie eine Elfe springt Kyrie Kristmanson auf die Bühne, als könne sie es nicht erwarten, endlich anzufangen.
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Die Seele der weiten kanadischen Felder, schwarze Winde und die Geister der Geschichte sind die Quelle ihrer Inspiration. Munter wie eine Elfe springt Kyrie Kristmanson auf die Bühne, als könne sie es nicht erwarten, endlich anzufangen. Auf ihrem Kopf trägt sie eine weiße Fellmütze, ein überdimensionaler Schneeball mit weißen Fasern, die in alle Richtungen stehen. Sie tippt ein paar Mal mit dem Finger an das Mikrofon. Testet sie, ob es angeschaltet ist?, fragt man sich im ersten Moment und erinnert sich daran, dass die Sängerin erst 21 Jahre alt ist.
Unerfahren? Weit gefehlt, das Tippen ist längst zum „Song X“ geworden und Kyrie Kristmanson schnörkelt ohne weitere Begleitung eine Melodie um ihren Finger, mit der sich eine andere Sängerin vielleicht nach der Hälfte eines gut gelaufenen Konzerts vor ein Publikum stellen würde. Eine Spannung wie ein Sog liegt über ihrem Lied, als würde sie die Töne in sich einsaugen und dann nicht nur in das Foyer des Nikolaisaals, sondern in den Kosmos hinaus singen. Kyrie Kristmanson zieht die Töne in die Länge, verlängert sie, gleitet auf den Vokalen weiter. Mit der gleichen spontanen Impulsivität, mit der die Sängerin auf die Bühne hüpfte, schwingen auch ihre Melodien.
Die junge Kanadierin hat am Freitagabend die neue Spielzeit mit dem ersten „Voice in Concert“ eröffnet. Mit ihrem Auftakt hat sie das Versprechen der Konzertreihe erneuert, Künstler auf die Bühne zu holen, die nicht nur technisch versiert sind, sondern auch ihre Persönlichkeit mit auf die Bühne bringen. Kyrie Kristmanson hat jung angefangen, Gitarre zu spielen. Später kam die Trompete hinzu. Seitdem sie 16 ist, arbeitet sie an ihrer Karriere und singt auf Festivals. 2010 hat sie ihr erstes Album „The Origin of Stars“ in Europa herausgebracht und ist nach Paris umgezogen. Sie textet, komponiert und arrangiert alle ihre Lieder selbst. Mittlerweile arbeitet sie an ihrer zweiten CD zusammen mit einem Stringquartett.
In einigen Stücken spielt Kyrie Kristmanson zweistimmig mit ihrem Trompeter Oliver Laisney. Links neben ihr steht Francois Puyalto am Bass, mal auf zwei, mal nur auf einem Bein. Auch wenn Kyrie Kristmansons Lieder als sparsam beschrieben werden, weil sie sich von wenigen Instrumenten begleiten lässt, hält sie ihre beiden Musiker auf Trab. Jedes Stück hat die Dynamik eines Galopps, von jedem Ton, jedem Saitenabschlag fordert sie hundertprozentige Hingabe.
Mit Vorbildern wie PJ Harvey, Leonard Cohen und den fast unbekannten französischen Troubadorinnen des Mittelalters erschafft Kyrie Kristmanson eine ungewöhnliche Dreiecksverbindung zwischen Folkmusik, Country und Minnesang. Als moderne Bardin reiht sie sich selbst in die Tradition der Geschichtenerzähler ein: ob mit einem Dialog zwischen Joséphine de Beauharnais und ihrem Geliebten Napoleon Bonaparte, einem Monolog Pocahontas über die Entstehung Amerikas oder einem Bargespräch im mittelalterlichen Spanien zwischen dem Autor Miguel de Cervantes und seiner Romanfigur Don Quijote. Die Troubadorinnen des Mittelalters hätten sich geehrt gefühlt, von Kyrie Kristmanson lernen zu dürfen.
, ine Zimmer
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