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Kultur: Schwellend und schwebend und wabend Orgelkonzert mit Stefan Engels in St. Peter und Paul

Seine Musik ist vielfältig, in vielen Stilen komponiert. Mal flirrt sie impressionistisch, mal wabert sie spätromantisch, dann wieder zeigt sie sich von expressionistischer Klarheit und Kühnheit.

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Seine Musik ist vielfältig, in vielen Stilen komponiert. Mal flirrt sie impressionistisch, mal wabert sie spätromantisch, dann wieder zeigt sie sich von expressionistischer Klarheit und Kühnheit. Ein tonsetzerisches Chamäleon, dieser Sigfrid Karg-Elert (1877-1933), dem das vierte Orgelkonzert in der Propsteikirche St. Peter und Paul am Bassinplatz gewidmet ist. Dessen vielfältiges Oeuvre bekanntzumachen, ist Anliegen von Stefan Engels, seit 1999 Professor für künstlerisches Orgelspiel am Westminster College in Princeton/USA. Zur Zeit nimmt er das gesamte Karg-Elertsche Orgelwerk für CD auf. Ein Kenner der Materie also, der sich an der romantisch disponierten Schuke-Orgel des Gotteshauses hörbar wohlfühlt.   In Georg Friedrich Händels E-Dur-Variationen „Der harmonische Grobschmied“, für einen klavierspielenden  Handwerker dieser kräftezehrenden Zunft komponiert, kann sich das Instrument sogleich von seiner diesbezüglichen Seite zeigen. Erhaben braust das Thema im organo pleno auf, mit Echowirkungen reich versehen. In den Veränderungen macht der reichliche Gebrauch des Schwellwerks gehörigen Effekt. Schnell eilt eine Variation dahin, während eine andere celestaartig und gläsern aufklingt. Verschwommen und schwebungsreich, voluminös und saftig geht der Grobschmied seinen Verrichtungen nach.    In dieser Karg-Elertschen Bearbeitung bleibt von Händel allerdings nicht mehr viel übrig. Von Johann Sebastian Bach übrigens auch nicht, der anschließend mit dem „Capriccio“ aus der Toccata für Klavier G-Dur BWV 916 und dem „Adagio“ aus der Orchestersuite D-Dur BWV 1068 (besser bekannt als das berühmte „Air“) zu Wort kommt. „Soll es ja auch nicht“, belehrt mich der Organist nach Ende des Konzerts. „Karg-Elert wollte die Stücke bewusst in seine Welt holen, sie verändern.“ Sie sollten nicht nach ihren Autoren klingen – eine bemerkenswerte, wenn nicht sogar umstrittene Art, sich mit barocken Intentionen zu beschäftigen. „Es braucht fürwahr einer besonderen Erwartungshaltung, Karg-Elert in seinen Stilisierungen von anderen Meister zu verstehen“, gibt Stefan Engels zu.  Der reizt als überaus virtuoser Spieler die Möglichkeiten der Orgel reichlich aus. Er weiß treffliche Akzente zu setzen, mit registratorischen Effekten zu brillieren. Das „Air“ beispielsweise trieft vor Adagio-Gefühl und Seelenbibber und klingt, in seiner nunmehrigen Transformation, durchaus überzeugend. Dass Karg-Elert ein Komponist „voller Ideen und lebendiger Kreativität“ gewesen sei, beweise er gleichfalls in seinen Choralbearbeitungen, die er sehr textbedacht komponiert habe, erläutert mir der Organist. Sie gleichen klangleuchtenden und farbsatten Stimmungsgemälden. Und so führen Auszüge aus „Zwanzig Präludien und Postludien“ op. 78 einen Tonsetzer vor, der sich mit der Beschreibung diverser Seelenlagen bestens auskennt. Das Praeambulum „Allein Gott in der Höh“ gibt sich nicht weniger festlich, selbstbewusst und principalpathetisch wie das Postludium „Sollt ich meinem Gott nicht singen?“ Dazwischen wiegt sich eine Sicilienne („O Gott, du frommer Gott“), wabert eine Canzone („Es ist das Heil uns kommen her“).  Die zwei Seelen, die in der Brust des Komponisten wohnen, können sich abschließend in zwei Stücken aus „Partita Retrospettiva“ op. 151 offenbaren. Weich getönt und innig hört sich „Dialogo“ an; zerklüftet, trompetenschnarrend, besänftigend und einer gewissen Monumentalität nicht abgeneigt das „Finale alla Solfeggio“, wo Engels noch einmal alle Register ziehen kann. Doch auch bei Barock pur, dem Bachschen C-Dur-Concerto BWV 594 (einer Bearbeitung des Vivaldischen Violinkonzertes „Grosso Mogul“), geht er stilkundig zu Werke. Seine Wiedergabe betont die geigerische Herkunft des Stücks, stellt entsprechende Spieltechniken wie Springbogen oder Achterbewegungen prononciert aus. Principalstimmen bestimmen die rasch genommenen Ecksätze, besinnliche Zungenstimmenlieblichkeit das Recitativo. Für eine Zugabe mochte sich der herzlich bedankte Organist nicht entschließen.Peter Buske

Peter Buske

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