Kultur: Sechs behende Hände
Drei Frauen an einem Flügel im Nikolaisaal
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Irgendwann an diesem Freitag Abend im Foyer des Nikolaisaals wird sich vielleicht der eine oder andere die Frage nach dem Parfum gestellt haben. Drei Frauen so dicht beieinander, das kann nicht ohne Reibereien funktionieren. Von Zickenkrieg will hier niemand reden. Dafür sind Xenia Kourkoumeli, Alina Pronina und Anne Salié zu sehr bei der Sache. Ein Paradebeispiel für Harmonie. Aber der ganze Abend im Rampenlicht, dazu das ständige Überkreuz der Arme, das ist schließlich schweißtreibend und bedarf einer entsprechenden Vorsorge. Und bei dieser Nähe auch Absprachen. Nicht dass Xenias Parfum der Alina zu schwer oder das der Alina der Anne zu süß. Verwirrende Gedankenspiele, an denen die drei Damen von Some Handsome Hands nicht ohne Mitschuld sind.
Mit „Drei Frauen mit Flügel. Originalwerke und Transkriptionen für Klavier zu sechs Händen“ war das Konzert von Xenia Kourkoumeli, Alina Pronina und Anne Salié am Freitag im gut besuchten Foyer überschrieben. Nicht allein Genuss für die Ohren, sondern vor allem spektakuläre Aktionen von sechs Händen auf einer Tastatur für die Augen wurden hier geboten.
Wilhelm Friedrich Ernst Bachs „Dreyblatt“, eine spielerisch-luftige Aufwärmübung zum Sortieren der drei Armpaare, folgte Carl Czernys „Variations brillantes“. Czerny, Freund und Schüler Beethovens, hat hier über einem Thema aus Bellinis Oper „Capuleti e i Montecchi“ Brillantes und technisch Vertracktes für sechs Hände zusammengefasst, das den drei Damen von Some Handsome Hands kaum Ruhepause gönnte. Opulent-dramatisch und rasant-überbordernd wurde hier Melodie auf Melodie getürmt, so dass einem schon beim Hören schwindlig werden konnte. Was hauptsächlich in den Bann zog, war die perfekte Choreographie der sechs Hände, die wie von einem einzigen Körper dirigiert, Czernys arger Technikversessenheit in „Variations brillantes“ doch noch genug Musikalität zu entlocken vermochte.
Ob Brahms „Ungarische Tänze“ oder Alfred Schnittkes aus Akkorden regelrecht gestanzte „Hommage an Strawinsky, Prokofjew und Schostakowitsch“, ob Wladigeroffs „Rhapsodie Vardar op. 16“ oder Tomislav Baynovs meditativ atmendes „Metrorhythmia 1“, immer wieder musste man die Augen schließen, um der Musik zu folgen und sich nicht zu sehr auf das faszinierende und gelegentlich verwirrende Hin und Her der sechs Hände zu konzentrieren. Nur bei den drei blues- und swingbelasteten Kompositionen von Mike Cornick und der Fantasie über sechs Rags von Scott Joplin, die Jiannis Antonopoulos Some Handsome Hands gewidmet hat, blieben die Augen offen. Hier zeigten die Damen Kourkoumeli, Pronina und Salié ihr Showtalent.
Das Publikum war begeistert und forderte zwei Zugaben, die den Genussfaktor noch einmal steigerten. Da war die Frage nach dem Parfum ganz schnell vergessen. Dirk Becker
Dirk Becker
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