Kultur: Sechs Filmnächte mit viel Prominenz
Filmmuseum als Ort des Nachdenkens
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Filmmuseum als Ort des Nachdenkens Auf die Frage „Was war die DEFA für Sie?“, antwortete in einem Interview der Regisseur Egon Günther: „Die Nährmutter! Sie war mein Leben, gar keine Frage. Sie war Heimat, wirklich Heimat. Und das betrifft ja nicht nur die Gebäude oder die Ateliers oder die Mitarbeiter. Ich bin sicher, dass in solchen Institutionen etwas entsteht, was man nicht real erklären kann. Es ist der Geist des Ortes ... In dem Moment, wo das erste Licht angeht, ist die Welt verzaubert. Wo man ahnt, welches Objektiv man nehmen muss, und lange Brennweiten die Welt noch mal verzaubern. Das ist ein großes Glück. Ohne die DEFA hätte ich es nie geahnt.“ Nicht nur Egon Günther hätte sich gewünscht, dass es 1990 eine politische Entscheidung gegeben hätte, die DEFA nicht gleich in den puren Kapitalismus zu entlassen. „Vielleicht hätte man das Studio noch sechs, sieben Jahre staatlich unterstützen sollen. Als ein Instrument, das den Prozess der Vereinigung mit begleitet, beschreibt, analysiert. Es war eine utopische Idee. Aber es hat sich keine andere Idee durchgesetzt, sondern es wurde verkauft, was hätte unverkäuflich sein müssen. Warum gewinnen eigentlich immer die anderen?“ Um auf solche und andere Fragen einzugehen, bricht das Filmmuseum ab 19. August eine Reihe von sechs Filmnächten vom Zaum. Katrin Saß, Corinna Harfouch, Jutta Wachowiak, Jutta Hoffmann und Veronica Ferres – ihre Fotos finden sich in der Schauspielergalerie der neuen Dauerausstellung zur Geschichte der Filmstudios in Babelsberg – kommen in den nächsten Monaten ins Museumskino, um über ihre Arbeit und ihre Beziehung zum Studio zu reden. Das Filmmuseum möchte nicht nur eine Schatzkammer sein, sondern auch Ort des Nachdenkens und des lebendigen Gesprächs, so das selbstgesteckte Ziel. Besonders wenn dem traditionsreichen Filmstudio in Babelsberg Gefahr droht, sind die Museumsmacher hellwach. Fünf Babelsberg-Filmnächte im Marstall setzten diesmal im Heute an: Künstler verschiedener Generationen werden nach ihren Erfahrungen gefragt, danach, was sie verbindet und ob sie – Filmleute, die in Babelsberg arbeiten oder gearbeitet haben – tatsächlich an eine lebendige Tradition anknüpfen, die wie ein kulturelles Gedächtnis funktioniert, das aus Erfahrungen der Vorgänger oder auch in Abgrenzung zu ihnen Neues produziert. An allen Abenden – von August an bis in den Dezember hinein – laufen drei Filme, teils DEFA-Filme, teils Filme aus der Zeit von Studio Babelsberg. Gesprächsrunden, Musik und kulinarische Angebote machen die Filmabende zu etwas Besonderem. Verträgt sich nach anfänglicher Distanz endlich der Westen mit dem Osten und umgekehrt? Darüber können DEFA-Autor Wolfgang Kohlhaase und Oscarpreisträger und Geschäftsführer des Studios a.D. Volker Schlöndorff, die 2000 gemeinsam „Die Stille nach dem Schuss" realisierten, sicher Auskunft geben (19. August). In diesem Sommer dreht übrigens Regisseur Andreas Dresen einen Film nach einem Drehbuch von Kohlhaase. Was verbindet die Generationen miteinander, was trennt sie? Haben die Jüngeren tatsächlich von den Älteren gelernt? Ist noch etwas übrig von der gepriesenen und beschworenen Essenz? Andreas Dresen spricht darüber mit seinem Lehrer, dem DEFA-Regisseur Günter Reisch. Die letzte Filmnacht vereint Politik und Wirtschaft. Journalisten fragen nach: Kommt jetzt mit ungelernten Hasardeuren das Ende für Studio Babelsberg oder können die neuen Münchner Herren die Mammutaufgabe in der „Huren und Schlachterbranche", wie Ingmar Bergmann das Filmgeschäft nennt, doch noch stemmen? Wird Babelsberg das Schicksal der Chipfabrik teilen? Im Dezember sollen Matthias Platzeck, der Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, der Geschäftsführer des Studios Carl Woebcken und Betriebsratschef Jens-Peter Schmarje Rede und Antwort stehen. Mo
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