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Kultur: Seelenlagen

Singakademie mit Werken von Rutter und Mozart

Stand:

Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem-Vertonung in d-Moll im Nikolaisaal, musiziert vom Sinfonischen Chor der Singakademie Potsdam und dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt an der Oder: Nach dem achten Takt im „Lacrimosa“ (Tränenvollster aller Tage) lässt Edgar Hykel plötzlich den Taktstock sinken, Singstimmen und Instrumente verstummen. Der Dirigent wendet sich zum Publikum und erklärt, dass an dieser Stelle die Schöpferkraft Mozarts erlosch. Dann beginnen die Mitwirkenden noch einmal mit dem „Lacrimosa“. Das Requiem, die Totenmesse, wird zu Ende geführt. Das überraschende Abbrechen des musikalischen Geschehens ergibt Sinn. Man spürt plötzlich, dass der Tod dem Menschen Grenzen aufzeigt. Doch es gab Freunde Mozarts, die das Werk vollendeten. Franz Xaver Süßmayr scheint von ihnen für die Ergänzung der Skizzen, die vorlagen, am ehesten prädestiniert gewesen zu sein.

Das Konzert der Singakademie war auf die Eckpunkte menschlichen Daseins ausgerichtet: Geburt und Tod, mit dem Magnificat und dem Requiem. Das Magnificat ist die Antwort Mariens auf die Ankündigung, dass sie ein Kind, den Messias, gebären wird. Diesem sehr innigen Lobgesang aus dem Neuen Testament mit seinen erstaunlich politisch-sozialen Aussagen – vor 2000 Jahren muss er regelrecht revolutionär gewesen sein („Er stürzet die Gewaltigen vom Thron und erhöhet, die da niedrig sind“) – haben sich etliche Komponisten aller Musikepochen zugewandt.

Auch der 1945 in London geborene John Rutter gehört dazu, der sich vor allem mit Chor- und Kirchenmusik einen Namen gemacht hat. Auf den Geschmack amerikanischer Kirchenchöre eingehend, hat Rutter eine Mixtur musikalischer Stile auch für dieses Werk gewählt. Man hört Jazz, Gospel, Anklänge an das Musical sowie an europäische Musiktraditionen. Eine Komposition ist entstanden, die sich zu einem Fest der Stimmungen und Gefühle entwickelt. Die komplexe Seelenlage versucht Edgar Hykel mit der Singakademie und dem Staatsorchester umzusetzen. Mit Erfolg! Des Chorleiters größte Aufmerksamkeit galt naturgemäß den Choristen, doch dem Orchester hätte mehr Beachtung sicherlich ebenfalls gut getan. Ein Solosopran, der das Emotionale verstärkt, wird dem wirkungsvollen Stück beigegeben. Denise Pelletier hat mit ihrer edlen, strahlenden und warm getönten Stimme sich in den Chor- und Orchesterklang souverän eingefügt.

Die Sopranistin gehörte auch zum ausgezeichnet homogenen Solistenquartett, das dann in Mozarts Requiem zu hören war. Neben Denise Pelletier konnten Marina Prudenskaja, Alt, Reinhart Ginzel, Tenor, und Thomas Wittig, Bariton, für die Aufführung gewonnen werden. Besonders das Benedictus brachten die Vier zu einer musikalischen und gestalterischen Ausdrucksdichte, die zum Höhepunkt des Requiems wurde.

Edgar Hykel hat die Messe in keinem Augenblick verweichlicht musiziert, sondern in flottem Tempo und in klarer Artikulation. Die unterschiedlichen Stimmungen konnten überzeugend aufeinander prallen,vom meditativen Totengedenken über das bestürzende Weltgericht bis zum Jubel, das von der Erlösung der Gläubigen erzählt. Die Singakademie sang mit großer Anteilnahme und innerem Elan. Doch manchmal hätte man ihren Sopranen mehr Glanz in der Höhe gewünscht. Auch beim Requiem war das Staatsorchester, das schlank musizierte und flexibel reagierte, den Sängerinnen und Sängern ein wunderbarer Partner. Eine ergriffene Zuhörerschar ließ nach dem Verklingen des Requiems sich nicht gleich vom Applaus überwältigen. Es gönnte allen eine Zäsur der Stille. Doch dann wurde der Beifall verdientermaßen sehr herzlich.

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