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Kultur: Seelentröstlich

Konzert zum Ewigkeitssonntag in der Nikolaikirche

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Dem Gedenken an Verstorbene mit Beifall zu huldigen, ist im hiesigen christlichen Kulturkreis nicht vorgesehen. Auch nach einem Konzert nicht. Und so hielt man es auch nach der musikalischen Feierstunde am Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag geheißen, in der übersichtlich besetzten Nikolaikirche: In Stille, in ergriffener Nachdenklichkeit ging man anschließend schweigend auseinander. Eine einfühlsame Geste dafür, dass sich die Anwesenden des Anlasses und seiner damit verbundenen Gepflogenheiten wohl bewusst waren An diesem traditionellen Konzert in St. Nikolai waren erstmals zwei Potsdamer Chöre beteiligt, die, jeder für sich, den Entschlafenen musikalisch gedachten. Ihnen zur Unterstützung musizierte das Telemann-Consort Magdeburg stilkundig auf historischen Instrumenten, wodurch die durchweg getragenen Melodien viel verinnerlichten, seelentröstenden Ausdruck erhielten.

In Johann Sebastian Bachs Kantate „Ich hab in Gottes Herz und Sinn“ BWV 92 (die zweifellos kein Concerto ist, wie“s der Programmzettel verkündete) herrschen dunkle Farben vor. Um einer damit verbundenen Einförmigkeit zu begegnen, versuchte Björn O. Wiede mit antreibenden Gesten eine gewisse Lebendigkeit ins musikalische Geschehen zu bringen. Es gelang genauso wenig wie die Feinheiten des Instrumentalparts zu offenbaren. Stattdessen verschmolzen sie mit dem seelenvoll singenden Nikolaichor zu einem weitgehend undifferenzierten Klang.

Anstelle der vier erforderlichen Gesangssolisten waren die beiden weiblichen eingespart, sodass der sichere, kraftvoll bis lyrisch tönende Tenor Volker Arndt auch die Sopranarie „Meinem Hirten bleib ich treu“ anstimmen musste. Kehlenvirtuos trug Bariton Sebastian Bluth die koloraturengespickte Bassarie „Das Brausen von den rauhen Winden“ vor, während er für die erforderlichen Tiefen (Rezitative, Duett) stimmliche Schwächen offenbarte.

Gleich einer gedanklichen Zäsur spielte der Nikolaikantor danach auf der Altarorgel die Choralpartita „O Gott, du frommer Gott“ BWV 767. Durch prägnante Soloregister (Vox humana, Trompeten) fand er für jede Strophe den ihr sinngemäßen Ausdruck. Über den verfügte auch der Vocalkreis (nicht Vocalensemble wie fälschlich annonciert) Potsdam unter Leitung von Matthias Jacob bei der Wiedergabe des Requiems f-Moll von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704). Ohne Schnörkel und katholisch-barocker Kirchenmusikpracht hat der böhmisch-habsburgische Hofkomponist den liturgischen Text schlicht und eindringlich vertont. Selbst das Jüngste Gericht offenbart noch nicht jene klanglichen Schrecknisse, wie sie in späteren Zeiten gebräuchlich wurden. Klangvoll und intonationssauber in allen Stimmgruppen, ausdrucksintensiv, kultiviert und geschmeidig wusste der Vocalkreis zu überzeugen.

Die fünf Solisten waren zwischen ihm und den Instrumentalisten postiert, gleichsam als chorische Vorsänger, denn sie hatten ja keine Arien vorzutragen. So ergab sich eine überzeugende Stimmenmischung. Der überaus tröstlichen, von protestantischer Innigkeit erfüllten, eher objektiv betrachtenden denn sinnbetörenden Lesart dankte die Seele in stiller Dankbarkeit.Peter Buske

Peter Buske

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