zum Hauptinhalt

Ausstellung auf der Freundschaftsinsel: Sehnsucht im Steingarten

Brandenburgischer Kunstverein zeigt im Inselpavillon eine Ausstellung mit Japanschwerpunkt

Stand:

Potsdam - Ein Garten muss nicht unbedingt grün sein. Er kann auch aus ordentlich aufgereihten Steinen bestehen. Das jedenfalls meint Gerrit Gohlke, der zusammen mit Wilhelm Schürmann die aktuelle Ausstellung im Pavillon auf der Freundschaftsinsel kuratiert hat.

Inmitten des prächtigen Blumengartens, passend zum bevorstehenden japanischen Festwochenende, zeigt der Brandenburgische Kunstverein „unechte Landschaften“. So lautet die japanische Bezeichnung für den Steingarten, in dem sich gelegentlich nur einige Moose und verhaltene Eingriffe in die Natur finden. Dezent gestaltet erheischt der Steingarten nicht Bewunderung, sondern zielt auf Versenkung und stille Schönheit. Ein ideeller Nebenweg führt unmittelbar in den paradiesischen Garten. Der lässt sich leider nicht wieder herstellen, aber beschwört noch immer Verheißungen und Sehnsüchte herauf, vermutet Gohlke. All das klingt in der Ausstellung an.

Ordentlich aufgereiht liegen graue Steine auf zwei langen Regalbrettern. „My stones“ nennt der Künstler Soshi Matsunobe seine Installation. Die grauen, rundgeschliffenen Kiesel evozieren unmittelbar das Bild des fein, ordentlich konstruierten Gartens, aus dem sie stammen könnten. Aber der Schein trügt. Was wie importierter Naturstein wirkt, ist tatsächlich handgemacht.

Steine sind die große Leidenschaft von Soshi Matsunobe. Allerdings sammelt er sie nicht, sondern stellt sie aus einem Zement- und Sandgemisch von Hand her. Etliche Hundert finden sich aufgelistet auf seiner Website. In Museumsausstellungen, in Galerien hat er sie bereits gezeigt. Zwar seien sie vollkommen zweckfrei hergestellt. Aber wenn Steine verschiedener Größen und Arten zusammen kommen würden, so seien es wirkliche, echte Steine, erläutert der Künstler auf seiner Website. So wird die künstliche Natur unwillentlich zum Sinnbild für eine Gesellschaft, in der sich Verschiedenheit mischt und Lebenssphären sich durchdringen. Manche der sorgsam hergestellten Steine legt Matsunobe auch einfach in fremden Gärten und Parks ab, wo sie ununterscheidbar in dem Außenraum aufgehen. Lägen sie vor dem Pavillon, fügten sie sich nahtlos in die Umgebung. Im Pavillon allerdings sind sie Kunstwerke und wollen auch als solche behandelt werden. „Die Steine haben ihre besondere Reihenfolge. Wir haben sie in ordentlich nummerierten Tüten angeliefert bekommen“, erläutert Gohlke.

Das scheinbar unspektakuläre Naturereignis steht auch im Fokus einer Fotografie von Jan Henle. In Puerto Rico bei Mayaguez liegt der künstliche Steingarten, den Henle sich gebaut hat. Rötliche Erde, ein paar Stöcker, Lehmklumpen. Das Foto zeigt das Stück Erde aus der Vogelperspektive. Es ginge eigentlich um „das Nichts, den Nicht-Gegenstand, das Nichtgegenständliche, das jedoch keine Abstraktion“ sei, beschreibt Gohlke die Abbildung.

Henle hat viel Arbeit auf den Gegenstand seiner Fotografie verwandt. Undurchdringliche Vegetation, die sich auf dem Stück Erde befand, hat der Fotograf mit Bulldozern und Macheten von Landarbeitern beseitigen lassen. So entstand eine Fläche, die in ihrer Kahlheit eine Verbindung zum spirituellen Begriff des Nichts habe, wie er sich im Zen Buddhismus, bei christlichen Naturphilosphen und anderen Metaphysikern artikuliere, so Gohlke. Eigentlich das perfekte Gegenbild zur narrativen Konstruktion skulpturenbestückter europäischer Gärten, in denen hinter jedem Busch ein Faun lauert, der irgendeiner Nymphe hinterher steigt.

Ein wenig vom unerklärlichen Kosmos findet sich in der Kugel von Akiyoshi Mishima. Rund und vielfarbig ruht sie auf einem Sockel, ist schön anzusehen und vermutlich völlig bedeutungsfrei. Aufgebaut aus verschiedenen Lackschichten gibt sie der Ausstellung ein in sich ruhendes Zentrum. Die runde Form taucht als Sonne ebenfalls auf einigen Bildern von verschiedenen Künstlern auf. Das sei aber Zufall, wirft Gohlke sogleich ein. Er und der Sammler Schürmann, aus dessen Bestand die Werke stammen, hätten die Ausstellungsstücke in einem längeren Destillationsprozess herausgefiltert. Die meisten Werke habe der Fotograf Wilhelm Schürmann von anderen Künstlern im Tausch gegen eigene Arbeiten erhalten.

Der 1946 geborene Schürmann war von 1981 bis 2011 Professor für Fotografie an der Fachhochschule Aachen. Seine eigenen Bilder zeigen meist alltägliche Szenerien, deren exakt austariertes Arrangement trotz der klar und scharf gezeigten Gegenstände nahezu wie abstrakte Stillleben wirken. So sei das eigentliche Thema der Ausstellung die Abstraktion, das Verschwinden des Gegenstandes im Sinne der Zen Meditation, sinniert Gohlke. Aber das müsse der Betrachter schon selber herausfinden. Er, der Kurator, könne jedenfalls keine Instant-Erleuchtung vermitteln und wolle das auch nicht. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })