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Kultur: Sehnsucht nach Echtheit

Neues Jugendvarieté des Circus Montelino in der Reithalle A

Stand:

„Die Welt besteht aus lauter Masken“, meinte schon der französische Schriftsteller La Rochefoucauld vor mehr als 350 Jahren. Doch gerade junge Menschen wünschen sich oft nichts sehnlicher als „erkannt“ zu werden. Und verbergen dennoch ihre Ängste, Wünsche und Sehnsüchte beispielsweise hinter Masken aus Coolness, Arroganz oder Frechheit. Manchmal wollen sie aber auch einfach nur in Ruhe gelassen werden. Artisten und Darsteller des Potsdamer Kinder- und Jugendcircus Montelino haben sich mit eben solchen Erfahrungen auseinandergesetzt. Mit den Mitteln von Zirkus, Tanz und Theater. Entstanden ist ein neues Jugendvarieté mit dem Titel „... oder die Sehnsucht, echt zu sein“, das dieser Tage unter der Regie von Gela Eichhorn in der Reithalle A zur Premiere kam.

Bevor es richtig losgeht, sitzt ein Junge (Markus Pavlitschek) auf einem Klappstuhl auf der leeren Bühne. Verwandelt sich nach und nach in einen Clown. Probiert, jetzt im Frack und mit roter Nase, alle gängigen „Masken“ aus. Die wird er brauchen in dem nun folgenden Menschengewimmel. Scheinbar gleichgültig laufen alle aneinander vorbei, sehen und beachten sich nicht. Keine Chance für eine Begegnung? Doch plötzlich bleiben zwei (Almut und Birk Kowalski) stehen. Werden sie einander wahrnehmen, den Dialog versuchen?

Gerade das ist es, was die jugendlichen Darsteller im Alter von 12 bis 19 Jahren in ihrer intensiven Probenarbeit besonders interessierte. Sie wollten erzählen von den Momenten, in denen man sich ohne Masken begegnet und von der Kraft, die daraus entstehen kann. Das ist ihnen wunderbar leicht und kraftvoll zugleich in überaus bildstarken Darbietungen gelungen. Ganz gleich, ob es sich dabei um die sensibel verspielte Balljonglage von Friedrich Meckel und Justus Hoch oder die waghalsige Rola Bola-Nummer der unzertrennlichen „Zwillings“-Schwestern Melissa und Cordula Gutekunst und ihrem „Objekt der Begierde“ (Jakob Feldtkeller) handelte. Auch die Akrobaten auf dem Boden und am Trapez „begegnen“ sich, lassen sich aufeinander ein und ohne jede Verstellung ist die Anspannung und kurz darauf der Stolz auf das Vollbrachte deutlich zu sehen.

Mit Witz und Esprit wird das Maskenthema auch von der Theatergruppe durchgespielt. Ihre Erinnerungen an Kinderfaschingskostüme rufen beim überwiegend jugendlichen Publikum genau die gleiche Begeisterung hervor wie der ziemlich skurrile Banküberfall. Und was ist eigentlich aus Tim und Anna, dem „Pärchen“ vom Anfang geworden? Immer wieder begegnen sie sich in der Menschenmenge und auf offener Szene. Finden in wunderbar minimalistischen Dialogen zusammen und treiben gleich darauf wieder auseinander. Zeigen sekundenlang ihr Inneres her und machen dann blitzschnell die Schotten wieder dicht. Das ist präzis beobachtet und geschickt komponiert und eignete sich vorzüglich als „Rahmenhandlung“ für das 70-minütige sehr unterhaltsame Varietéprogramm.

Das zudem noch in einen tollen modernen Musikteppich (Michael Pigl) eingebettet ist und durch die alltagstauglichen Kostüme (Imke Schubert) bereichert wird. Schon jetzt kann man gespannt sein, was den jugendlichen Akteuren und ihrem Trainerteam (Petra Teckemeier, Michael Pigl und Karin Lorenz) als nächstes Thema unter den Nägeln brennt. Und was sie dann mit genau so viel Engagement und Ideenreichtum umsetzen werden. Minutenlanger begeisterter Beifall war der Lohn für eine echt starke Leistung aller Beteiligten .

Astrid Priebs-Tröger

Nächste Vorstellung heute um 10 Uhr in der Reithalle A

Astrid Priebs-Tröger

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