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Kultur: Seliges Schwelgen und Schweigen „Vocalise“: Oratorienchor in der Friedenskirche

Man möge doch bitte, lässt der Veranstalter zu Beginn des „Vocalise“-Konzerts am Vorabend des Totensonntags die Zuhörer in der vollbesetzten Friedenskirche wissen, das Gehörte „in Stille ausklingen lassen, sich zum Glockengeläut erheben, um der Verstorbenen zu gedenken“. Der Bitte wird entsprochen, nachdem die letzten Takte des Schlusssatzes „In paradisum“ (Die Engel mögen dich ins Paradies führen) des Requiem op.

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Man möge doch bitte, lässt der Veranstalter zu Beginn des „Vocalise“-Konzerts am Vorabend des Totensonntags die Zuhörer in der vollbesetzten Friedenskirche wissen, das Gehörte „in Stille ausklingen lassen, sich zum Glockengeläut erheben, um der Verstorbenen zu gedenken“. Der Bitte wird entsprochen, nachdem die letzten Takte des Schlusssatzes „In paradisum“ (Die Engel mögen dich ins Paradies führen) des Requiem op. 48 von Gabriel Fauré (1845-1924) verklungen und seelentröstend in ätherische Höhen entschwunden sind.

Die Totenmesse des französischen Romantikers unterscheidet sich wesentlich von den bis dato üblichen Vertonungen der katholischen Liturgie. Statt angsteinflößend um Erbarmen und Erlösung zu flehen, von furchtbarer Erhabenheit, den Schrecknissen eines Jüngsten Gerichts bis hin zu Höllenqualen zu künden, spendet Fauré durchweg sanften Trost, der zu Herzen geht. Von fast durchgängiger seraphischer Ruhe sind die sieben Sätze erfüllt.

Diesen tröstlichen, geradezu froh stimmenden Gestus vermögen der Oratorienchor Potsdam, das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt sowie zwei Solisten unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob auf vorzüglichste, von heiterer Gelassenheit geprägte Weise zu treffen. Dunkel und schlicht erklingen Introitus und Kyrie, voller Weichheit und Wärme das Sanctus. Dagegen bricht im „Libera me“ (Befreie mich, Herr) leidenschaftlicher Ausdruck hervor, der für einen winzigen Moment in einem Fortissimo-Aufschrei von ewigem Verderben kündet. Im „Agnus Dei“ (Lamm Gottes) ist dann Klangbaden voller Leidenschaft angesagt. Diese unterschiedlichen Stimmungslagen vermag der Oratorienchor mit innerer Hingabe, stimmlicher Geschmeidigkeit, leuchtkräftiger Intensität und dynamischer Differenzierung vorzüglich, das heißt: total unangestrengt vorzutragen.

Das Staatsorchester trägt mit seinem klangschwelgenden Musizieren – insbesondere die Intensität der tiefen Streicher beeindruckt – erheblich zu dieser beseelten Wiedergabe bei. Leicht, lyrisch und schwebend, sozusagen engelsgleich stimmt Katherina Müller das Sopransolo „Pie Jesu“ (Milder Herr Jesus) an. Eher beschwichtigend denn bedrohlich singt Mario Hoff (Bassbariton) das „Tremens factum“ (Zagend stehe ich), klar und kraftvoll, aber auch ein wenig ausdrucksneutral das „Hostias“ (Lobopfer und Gebete bringen wir dir) aus dem Offertorium.

Zuvor, gleich zu Konzertbeginn, bringt er Johannes Brahms’ düstere, von Todesahnungen erfüllte „Vier ernste Gesänge“ in der Orchesterfassung von Karl Michael Komma zu Gehör. Dabei meidet der Sänger jegliche Larmoyanz, stattdessen liefert er einen sachlichen Bericht über Vergänglichkeit und Elend des Erdenlebens ab. Dem herb-ernsten Ausdruck scheint auch sein Mangel an Klangfarben geschuldet. Kraftvoll klingt seine Höhe, satt die Tiefe. Gleichsam orgelnd. Für den originalen Einsatz ist dagegen die Woehl-Orgel zuständig, an der Tobias Scheetz dem Orgelchoral Nr. 3 a-Moll von César Franck (1822-1890) spielt. Zerklüftete, wabernde und brodelnde Klangflächen wechseln mit besinnlichen und jubilierenden Abschnitten. Der Organist registriert effektvoll, zieht prägnante Prinzipalstimmen, bedient sich reichlich im französischen Registerfundus, lässt schließlich das volle Orgelwerk in Saus und Braus aufrauschen. Peter Buske

Peter Buske

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