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Kultur: Sensibles Zupfen kontra unschönes Blasen

Potsdam-Duo eröffnete die Musiksaison 2004 der Klein-Glienicker Kapelle / Konzerte der Kirche gehören zu den Preziosen der der Potsdamer Kulturlandschaft

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Potsdam-Duo eröffnete die Musiksaison 2004 der Klein-Glienicker Kapelle / Konzerte der Kirche gehören zu den Preziosen der der Potsdamer Kulturlandschaft Von Peter Buske Rechtzeitiges Erscheinen sichert nicht nur die besten Plätze, sondern überhaupt eine Sitzgelegenheit. Die Konzerte in der Klein-Glienicker Kapelle sind längst zu Preziosen in der Potsdamer Kulturlandschaft geworden. Weit über 100 Besucher sitzen dicht bei eng, viele müssen sogar stehen, um dem Potsdam-Duo zu lauschen. Die seit 1970 bestehende und gut aufeinander abgestimmte Spielgemeinschaft von Flötist Christian Lau und Gitarrist Axel Elter eröffnet am ersten Sonntag nach Neujahr die diesjährige Musiksaison der klein-feinen, intimen Begegnungsstätte. Ihre Abgeschiedenheit in Babelsberger Randlage hat dem Dornröschen unter Potsdams Gotteshäusern mittlerweile den Hauch einer gewissen Exklusivität verliehen. Hier, im Kreise von Gleichgesinnten, öffnet sich die Seele auf besondere Weise der holden Frau Musica. Was sie diesmal zu bieten hat, verrät kein ausliegender, oft nachgefragter Programmzettel. Sehr misslich. Man ist angewiesen auf die Auskünfte der Musiker, die dabei mit launigen Bemerkungen nicht sparen. Und so erklingt in bunter Folge Musik des 18. bis 20. Jahrhunderts: zuweilen in originaler Besetzung, meistens jedoch in Arrangements. Da in Händels F-Dur-Sonate die Gitarre der Flöte nur mit (cembalotypischen) Akkordfolgen assistiert, dürfte es sich um eine entsprechende Piece mit tasteninstrumentaler Unterstützung handeln. Ob auch die Flötenstimme „echt“ oder nur ein umgemodelter Violinpart ist, verschweigen die Künstler. Dafür spielen sie die flinken Sätze mit fingerfleißiger Beweglichkeit und langem Atem. In den langsamen Sätzen stören die Nebengeräusche der Flöte allerdings gar sehr. Es scheint, als schwinge die Luftsäule nicht gleichmäßig und reibe sich an Unebenheiten im Innern des Blasrohrs. Es entstehen Klänge, die an ihren „Rändern“ gleichsam kratzig und scharfkantig tönen. Beim Forcieren des Tons verstärken sich diese Unschönheiten. Als Hausmusik spielen Christian Lau und Axel Elter „Greensleeves“ eines englischen Anonymus, die sich als zupf- und blastechnisch abwechslungsreiche und anspruchsvolle Variationen auf ein britannisches Volkslied entpuppen. Potsdams ehemals bestbezahlter Musiker, Johann Joachim Quantz, kommt mit einer D-Dur-Sonate zu Wort. Auch hier verbleibt der Hörer, was die Authentizität der Besetzung anlangt, im Dunkel der Erkenntnisse. Flink spult sich das einleitende Allegro ab, innig das Arioso, temperamentvoll die finale Forlana. Was sich „Reigen seliger Geister“ nennt und als längeres Flötensolo mit Orchester der Oper „Orpheus und Eurydike“ von Christoph Willibald Gluck entstammt, muss in einer arg komprimierten Bearbeitung vor die Hörer treten. Fast kompromittiert es den Autoren, denn Stimmungen von Innigkeit, Seelenfrieden und Erhabenheit stellen sich nicht ein, weil über all diese Vorzüglichkeiten hinweggespielt wird. Originale in der Besetzung Flöte/Gitarre klingen können, zeigt sich in zwei Sätzen aus der Sammlung „Amusement“ op. 38 von Gasparo Kummer (1795-1870), einem Flötenvirtuosen und vielschreibenden Komponisten am herzoglichen Hofe in Coburg. Das Andante quasi Adagio offenbart sich als ein empfindsamer Zwiegesang, sensibel von der Gitarre gezupft, der in seinem bewegteren Mittelteil frappante Ähnlichkeit mit der bekannten Melodie „Freut euch des Lebens“ aufweist. Fröhlich-selbstbewusst stampft die Polacca auf. Originaliter ist auch die d-Moll-Sonate des Venezianers Benedetto Marcello, die sich als viersätzige Caprice offeriert und solide gespielt wird. Im Ausdruck der Sonaten zeigen sich kaum interpretatorische Unterschiede. Nicht über den gleichen Leisten geschlagen sind dagegen die Stücke von Astor Piazzolla (1921-1992). Erweist sich der „Liber-Tango“ in seiner rhythmischen Raffinesse als Fußzappler, ist „Café 1930“ eine sentimentale Reminiszenz an vergangene Zeiten. Erregte Ausbrüche und leidenschaftliche Dispute sorgen für Abwechslung. Mozarts Andante F-Dur gibt es als heftig herbeigeklatschte Zugabe.

Peter Buske

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