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Erich-Mühsam-Abend im Freiland: „Sich fügen heißt lügen“

Am Freitag veranstaltet das Freiland einen Erich-Mühsam-Abend mit Lesung und Konzert

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Für die Nationalsozialisten war Erich Mühsam von Anfang an verdächtig. An den Normen des Dritten Reiches gemessen, war der Schriftsteller und Politiker schließlich auch der absolute Antagonist: Jude, Anarchist, Kommunist, Syndikalist, extrovertierter Freigeist, der sich meist schwarz kleidete, das Haar wallend, der Bart lang. Mühsam wurde bereits 1934, ein Jahr nach der Machtergreifung Hitlers, im KZ Oranienburg nach monatelangen Prügeleien von der SS-Wachmannschaft ermordet. Das machte ihn zu einem der ersten, aber auch prominentesten Opfern der Nazis. Nur zum Schweigen konnten sie ihn nicht bringen.

Dass der Revolutionär noch immer recht lebendig ist und nichts von seinem Witz verloren hat, ist am Freitag beim „Singenden Tresen“ im Kulturzentrum Freiland zu erleben. Der Witz saß ja gerade bei den Geschundenen, die nichts mehr zu verlieren hatten, locker auf der Zunge. Im vergangenen Jahr widmeten die Bandmitglieder des „Singenden Tresens“, Manja Präkels und Markus Liske, dem Dichter im 80. Jahr seiner Ermordung mit „Mühsamblues“ ein ganzes Album, 13 Stücke hatten sie dafür neu vertont. Darunter ist auch ein bisher unveröffentlichtes Stück aus seinem Nachlass.

Manja Präkels und Markus Liske haben jedoch nicht nur ein Album, sondern im Berliner „Verbrecher Verlag“ auch ein Lesebuch publiziert, das an diesem Abend gleichfalls vorgestellt wird. Die Sammlung „Das seid ihr Hunde wert“ vereint Mühsam-Klassiker, bislang unveröffentlichte Gedichte, ausgewählte Briefe und die Beschreibung seiner letzten Tage aus der Feder seiner Frau Zenzl.

Mühsam war Zeit seines Lebens ein Kämpfer für die Ausgestoßenen: In München versuchte er ein Refugium für Bettler, Huren, Landstreicher und Verbrecher einzurichten. Für seinen Gerechtigkeitssinn war Mühsam bekannt, auch für seine tiefmenschliche Gutmütigkeit, die sich gerade durch Empathie mit den sozial Benachteiligten ausdrückte.

So war Mühsam letztlich auch ein Romantiker, ein Bohémien, wie es in der Zeit zwischen Jahrhundertwende und Erstem Weltkrieg zahlreiche gegeben hat. Autorität war ihm zuwider: „Ich soll? Ich muß? – Doch will ich nicht / nach jener Herrn Vergnügen. Ich tu nicht, was ein Fronvogt spricht / Rebellen kennen bessre Pflicht / als sich ins Joch zu fügen. Sich fügen heißt lügen!“, dichtete er 1919, als er zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Erstaunlich, dass Mühsam eher als ein „Gefühlsanarchist“ gilt, der die Welt zu einem besseren Ort zu machen versuchte. Wenn man ihn damals nicht gelassen hat, soll es heute geschehen. Oliver Dietrich

„Mühsamblues“ mit dem „Singenden Tresen“ am 18. September ab 20 Uhr im Freiland, Friedrich-Engels-Str. 22

Oliver Dietrich

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