zum Hauptinhalt

Kultur: „Sie hatte diese Lässigkeit im Pinselstrich“

Cornelia Naumann hat über Anna Dorothea Therbusch geschrieben, deren Bilder auch in den Neuen Kammern hängen

Stand:

Frau Naumann, wie sind Sie für Ihren Roman „Die Portraitmalerin“ auf Anna Dorothea Therbusch gestoßen?

Ich habe Bilder von ihr gesehen, die mich sehr beeindruckt haben. Vor allem ihr Selbstporträt aus dem Jahr 1777 mit dem Augenglas, das in der Berliner Gemäldegalerie hängt. Das ist schon sehr speziell, sehr eigen. Und von da an wollte ich einfach mehr über diese Frau erfahren.

Am Sonntag lesen Sie aus „Die Portraitmalerin“ in den Neuen Kammern von Sanssouci, wo Gemälde von Anna Dorothea Therbusch hängen. Was haben Sie über das Leben dieser Künstlerin erfahren, die auch für den Preußenkönig Friedrich II. gemalt hat?

Die Quellenlage ist schlecht. Zumindest die aus dem 18. Jahrhundert. Aus der Zeit gibt es nur einen Nekrolog, also einen Nachruf, der zehn Jahre nach ihrem Tod erschienen ist und ihr ganzes Leben in Kurzform beschreibt. Dann gibt es da nur noch das Werkverzeichnis, das aber in biografischer Hinsicht nicht von so großer Bedeutung ist. Daher darf und muss man, wenn man einen Roman über das Leben von Anna Dorothea Therbusch schreibt, der Fantasie viel Raum geben. Natürlich halte ich mich strikt an die Jahreszahlen, die mir bekannt sind. Aber über die Gefühlswelt dieser Frau weiß ich nichts. Aber das sehe ich für mich als Autorin auch als große Chance.

Trotz dieser unbefriedigenden Quellenlage, als was für eine Frau haben Sie Anna Dorothea Therbusch während Ihrer Recherchen kennengelernt?

Diese Frau war zu ihrer Zeit schon ein Phänomen. Am Anfang ist sie zunächst nur von ihrem Vater Georg Lisiewski ausgebildet worden, der für Friedrich Wilhelm I., dem sogenannten Soldatenkönig, unter anderem die Langen Kerls und etwas steife Porträts von dessen Schwiegersöhnen gemalt hat. Georg Lisiewski hat drei seiner Kinder im Malen ausgebildet. Das wissen wir aus der Biografie von Annas Bruder Christoph Friedrich Reinhold Lisiewski und ihrer Schwester Anna Rosina, die Hofmalerin am herzoglichen Hof in Braunschweig wurde. Aber wenn man ihre Bilder, die sie mit 19 Jahren gemalt hat, mit denen vergleicht, die zehn Jahre später entstanden sind, dann wird da ein so eklatanter Unterschied deutlich, sodass man nur zu dem Schluss kommen kann, dass sie sich weitergebildet hat. Das hat sie wahrscheinlich im Atelier des preußischen Hofmalers Antoine Pesne getan, obwohl sie nicht als seine Schülerin erwähnt wird.

Warum erwähnte Antoine Pesne sie nicht als Schülerin, obwohl Anna Dorothea Therbusch später sehr erfolgreich war?

Mädchen wurden als Schülerinnen nicht erwähnt, weil sie nicht zum Renommee des Lehrers beitrugen.

Später heiratete sie den Wirt Ernst Therbusch, der in Berlin die „Weiße Taube“ betrieb und hatte mit ihm vier Kinder. Ihre Karriere als Malerin hat sie trotzdem vorangetrieben. Selbst aus heutiger Sicht für eine Frau eine ungewöhnliche Biografie.

Ja, 1762 erhielt sie sogar einen Großauftrag in Stuttgart, wo sie sehr viel gemalt hat. Unter anderem auch Supraporten, also Gemälde oder Reliefs über Türen. Dort hat sie so auch einen ganzen Saal ausgestaltet. Doch leider wissen wir nicht, wie dieser Saal dann aussah, weil der später abgebrannt ist.

Aber mit dem Erreichten gab sie sich nicht zufrieden. Obwohl sie 1762 Ehrenmitglied der Stuttgarter Académie des Arts und zwei Jahre später von Kurfürst Karl Theodor zur Hofmalerin in Mannheim ernannt wurde, ging sie 1765 nach Paris, um an der Académie Royale zu studieren.

Das ist schon eine Leistung für eine Frau über 40 mit fünf durchgestandenen Schwangerschaften und vier Kindern. Hier konnte sie nur durch Leistung überzeugen, denn wie der Schriftsteller Denis Diderot in seinen Briefen schrieb, war sie weder jung noch schön und ihr fehlte der Charme, den Professoren an der Akademie zu schmeicheln. Und trotzdem hat sie es nach einer ersten Ablehnung geschafft, angenommen zu werden.

Was hat ihre Bilder ausgezeichnet?

Eine bestimmte Lässigkeit im Pinselstrich, die zu sehr charmanten Bildern geführt hat. Da ist zum Beispiel das Ganzkörperporträt der Prinzessin Luise mit dem späteren Thronfolger Friedrich Wilhelm II. als Kind. Da malte sie nicht die Haare einzeln aus, wie es damals üblich war. Nicht dieses Steife, das die Perücken wirken lässt wie aus Draht. Sie malte sogar einen kleinen goldenen Heiligenschein um das Kinderköpfchen. Mit dieser Lässigkeit, wie sie beispielsweise auch der französische Maler François Boucher hatte. Oder die kritische Selbstbetrachtung in ihren Altersporträts. Da schmeichelt sie sich in keinem Moment.

Was wurde Anna Dorothea Therbusch für ihre Gemälde gezahlt?

Wir wissen nur, wie viel sie für ihre Bilder in Potsdam bekommen hat. Das waren unter anderem jeweils 300 Taler für drei Bilder, die Friedrich II. bei ihr bestellt hatte. Darunter Gemälde von der Jagdgöttin Diana und Venus, die Göttin der Schönheit, die in der Gemäldegalerie in den Neuen Kammern zu sehen sind. Zwei sehr in Rosa gehaltene Damen, absolutes Rokoko, Spätwerke von ihr. Und die sind deshalb so erstaunlich, weil Anna Dorothea Therbusch niemals Aktmalerei lernen durfte. Das war Frauen verboten. Trotzdem, wahrscheinlich allein durch die Anschauung gelernt, malt sie diese sogenannten Historienbilder.

Waren ihre Gemälde mit 300 Talern gut bezahlt oder haben Männer mehr verdient?

Sie waren sogar sehr gut bezahlt. Wir wissen nicht, was Katharina die Große ihr dafür gezahlt hat, dass sie für sie die gesamte preußische Familie in riesigen Porträts gemalt hat. Aber wenn es in der Größenordnung von 300 Talern lag, wäre das schon beträchtlich.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Cornelia Naumann liest am Sonntag, dem 11. Mai, 16 Uhr, in den Neuen Kammern von Sanssouci aus „Die Portraitmalerin. Die Geschichte der Anna Dorothea Therbusch“ (Gmeiner Verlag, 12,99 Euro). Der Eintritt kostet 8, ermäßigt 6 Euro

Cornelia Naumann, geboren in Marburg, studierte Theater, - Film- und Fernsehwissenschaften, Germanistik und Romanistik. 2009 erschien ihr erster Roman „Scherben des Glücks“.

ANNA DOROTHEA THERBUSCH

Anna Dorothea Therbusch wurde am 23. Juli 1721 in Berlin geboren. Von ihrem Vater Georg Lisiewski, einem polnischen Adligen, der nach Preußen ausgewandert war, erhielt sie ihren ersten Unterricht im Porträtmalen. Es wird davon ausgegangen, dass sie auch vom preußischen Hofmaler Antoine Pesne ausgebildet wurde.

1742 heiratete sie den Berliner Gastwirt und Hotelier der „Weißen Taube“, Ernst Friedrich Therbusch. Zusammen hatten sie fünf Kinder, von denen vier überlebten. 1761 ging Anna Dorothea Therbusch an den Stuttgarter Hof von Herzog Carl Eugen und gestaltete dort unter anderem die Spiegelgalerie des Schlosses aus, die später einem Brand zum Opfer fiel. Ein Jahr später wurde sie Ehrenmitglied in der Stuttgarter Académie des Arts und 1764 von Kurfürst Karl Theodor zur Hofmalerin in Mannheim berufen.

Weil sie an der Académie Royale studieren wollte, ging Anna Dorothea Therbusch 1765 nach Paris, wurde jedoch abgelehnt. Erst zwei Jahre später gelang ihr die Aufnahme an der renommierten Akademie. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin im Jahr 1769 erhielt sie auch Aufträge vom Preußenkönig Friedrich II. So malte sie unter anderem für die Gemäldegalerie des Königs in den Neuen Kammern Sanssouci einige Historienbilder mythologischen Inhalts. Anna Dorothea Therbusch starb am 9. November 1782 im Alter von 61 Jahren in Berlin. (PNN)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })