Kultur: „Sie ist mein Revier“
Die Bratschistin Tabea Zimmermann in Potsdam
Stand:
Frau Zimmermann, werden Sie eigentlich noch mit Bratscherwitzen konfrontiert?
Langsam kenne ich die ganzen Bratscherwitze, freue mich, wenn es einen neuen gibt. Aber diese Witze gehören nicht zu meinem Hauptgesprächsthema.
Woher kommt eigentlich dieses schlechte Image der Bratschisten. Sie werden als die Ostfriesen des Orchesters bezeichnet, gelten gar als faul und minderbemittelt.
Das ist wahrscheinlich nur der Neid der Kollegen (lacht). Das Instrument Bratsche leidet schon an einer gewissen Schwerfälligkeit. Es ist deutlich größer und schwerer als die Geige, hat dickere Saiten, braucht einen schwereren Bogen. Und wenn man nicht früh lernt, mit diesen schwierigen Bedingungen umzugehen, kann es schnell passieren, dass das Ergebnis im Vergleich zur Geige sehr schwerfällig klingt.
Dieses Belächeln der Bratschisten scheint eher ein neuzeitliches Phänomen zu sein. Johann Sebastian Bach soll die Bratsche das liebste Instrument gewesen sein, Monteverdi hat sie gespielt.
Mozart hat auch Bratsche gespielt. Aber ich glaube nicht, dass man deswegen von einem neuzeitlichen Phänomen sprechen kann. Mittlerweile ändert sich der Ruf der Bratsche zum Positiven. Es gibt jetzt Sololiteratur, die es damals nicht gab. Hinzu kommt, dass es heute genauso viele Spezialisten für die Bratsche wie für die Geige gibt.
Sie selbst sind mit drei Jahren äußerst früh zur Bratsche gekommen.
Meine drei älteren Geschwister spielten bereits Geige, Cello und Klavier. Da blieb für mich nur noch die Bratsche übrig. Aber man kann ja bekanntlich aus der Not eine Tugend machen. Ich habe so meine eigene Stimme sehr früh gefunden.
Es stand für Sie nie zur Debatte, zur Geige zu wechseln?
Nein, ich habe mich sogar geweigert, Geigenliteratur auf der Bratsche zu spielen. Damit habe ich es meinem Lehrer wirklich nicht leicht gemacht, denn mit der Anfängerliteratur für die Bratsche ist es nicht so einfach. Durch die verschiedenen Instrumente, die wir Geschwister spielten, hatte auch jeder sein eigenes Revier. Es war von Anfang an mein ganzer Stolz, dass die Bratsche nur mit gehörte.
Wann wurde Ihnen klar, dass die Bratsche Ihr Instrument ist?
Mit 13 Jahren etwa. Bis dahin hatte ich parallel noch Klavier gespielt. Dann habe ich mich entschieden, dass die Bratsche mein Hauptinstrument wird.
Sie haben das Glück, dass zeitgenössische Komponisten Stücke für Sie geschrieben haben, das begrenzte Repertoire für die Bratsche für Sie also kein Problem wurde.
Oft ging dabei die Initiative von den Komponisten selbst aus, die mich entweder gehört hatten oder der Meinung waren, ein neues Stück anzuregen, so dass ich die fertige Partitur vorgelegt bekam. Für mich ist es immer wieder interessant, wie man die Grenzen des Instruments, wie ich mein Repertoire noch erweitern kann. Routine in der Musik ist mir unerträglich.
Ihr Konzert am Sonntag zusammen mit der Kammerakademie mit Schubert, Mozart und Schönberg ist dann aber doch ein recht klassisches Programm.
Ja, aber ungewöhnlich in der Weise, wie wir dieses Programm leiten. Wir verzichten auf einen Dirigenten. Zusammen mit der Violinistin Antje Weithaas leiten wir das Konzert zu zweit.
Warum der Verzicht auf einen Dirigenten?
Weil mit Dirigent die Gefahr besteht, dass man als Ensemble etwas unbeweglicher wird.
Dann lieber Selbstbestimmtheit?
Ja, und das man auf den Moment reagieren kann.
Aber das Risiko ist nicht zu unterschätzen.
Ein kleines, sehr willkommenes und kalkulierbares Risiko.
Mozarts Sinfonia concertante, das auf dem Programm steht, zählt zu den wenigen Stücken, wo sich Violine und Bratsche sozusagen auf Augenhöhe begegnen.
Da war Mozart seiner Zeit weit voraus. Andere Komponisten haben zwar auch für die Bratsche geschrieben, aber nicht wie in dieser Weise gleichberechtigt. Das ist schon wunderbar, wie Mozart hier diese beiden Stimmen vereint. Wenn nicht sogar die Bratschenstimme die schönste ist (lacht).
Dann Schönbergs „Verklärte Nacht“.
Bisher hatte ich Schönbergs „Verklärte Nacht“ nur zusammen mit unserem Arcanto-Quartett gespielt. Am Sonntag wollen wir es mit der Kammerakademie in der vom Komponisten angefertigten Orchesterfassung präsentieren. Das Spannende daran wird sein, es in der Masse eines Orchesters so filigran, durchschaubar und beweglich wie möglich darzustellen, dass es der Kammermusikfassung ebenbürtig wird. Darin liegt die Herausforderung.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Tabea Zimmermann spielt am Sonntag, 11. Mai, zusammen mit der Kammerakademie um 20 Uhr im Nikolaisaal. Karten unter Tel.: (0331) 28 888 28.
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