Kultur: Sie lässt sich nicht verbiegen
Heidi Jäger
Stand:
Mehrmals schon sollte das Hans OttoTheater ein neues Haus erhalten. Aber immer wieder wurde ein Neubau verschoben, kurz nach der Wende der Rohbau des Theaters sogar abgerissen, weil dieser „am falschen Platz“ stand. Am 22. September ist es soweit: In der Schiffbauergasse wird sich der Vorhang im neuen Haus öffnen. In unserer Serie wollen wir an die vergangenen Jahrzehnte des Theaters erinnern.
HEUTE: Gertraud Kreißig
Ihr giftiges Kichern und falsches Säuseln lässt Böses ahnen. Und richtig: die schwarz gewandete, bucklige Frau ist eine Hexe, die mit ihrem teuflischen Kräutern Jakob in Zwerg Nase verwandelt. Hinter der Figur der garstigen Alten steckt die Schauspielerin Gertraud Kreißig. Die Rolle in dem Hauffschen Märchen spielte sie in der jetzt ausklingenden Spielzeit so souverän und packend, wie man es von der begnadeten Schauspielerin nicht anders kennt. Offensichtlich hat sie noch immer großen Spaß daran, auf der Bühne mitzumischen – obwohl sie inzwischen in den wohl verdienten Ruhestand getreten ist. Doch nach über 35 Theaterjahren kann man seine Leidenschaft wohl nicht so einfach abschütteln.
Gertraud Kreißig gehört zu den Schauspielern, die immer wieder Neues zutage fördern, sich mit Herz und Seele ihrer Rolle verschreiben. „Für mich ist Theater eine Schule der Weisheit. Durch meinen Beruf hatte ich die Chance, viele Leben zu leben“, sagte sie, als ihr vor drei Jahren der „Potsdamer Theaterpreis“ überreicht wurde. Kein Geschenk, sondern hart erarbeiteter Lohn für eine Karriere, die sie durch alle großen Rollen der Theaterliteratur führte. Sie war die „Antigone“ und „Maria Stuart“, gab die Frau Alving in „Gespenster“ und die Eliza in „My fair Lady“. Unvergessen ihre schlagfertige Mutter Wolffen im „Biberpelz“, den kein anderer als Günter Rüger inszenierte. Ein Regisseur, der immer wieder gern auf die Darstellungskunst von Gertraud Kreißig zurück griff und der die Mimin auch in den von beiden geliebten russischen Stücken bestens einzusetzen wusste.
Bevor die in Königsberg geborene Schauspielerin ans Theater ging, arbeitete sie als Buchhändlerin. Immer wenn sie von der Arbeit kam, zogen sie die großen Berliner Bühnen magisch an. Sie sah Inszenierungen von Dresen und Besson, Langhoff und auch vom alten Brecht. Der Theaterfunke traf sie mitten ins Herz und nachdem sie sich in einer Laienspielgruppe ausprobiert hatte, ging sie an die Babelsberger Filmhochschule. Ihr erstes Engagement führte sie 1961 nach Zeitz, dann folgte Cottbus. Es konnte ihr nichts besseres passieren, denn dort traf sie auf den Regisseur Rolf Winkelgrund, der sie 1971 mit nach Potsdam holte. Ihm verdankt sie eine der ihr wichtigsten Rollen: die Lena in „Buschmann und Lena“ von Fugard. Gertraud Kreißig hielt dem Hans Otto Theater über drei Jahrzehnte die Treue, wollte sich nicht in die „Hack-Ordnung“ größerer Häuser einordnen. Und es gab ja auch ständig etwas zu tun: kleine und große Rollen, die sie allesamt mit gleicher Ernsthaftigkeit anging und mit feinsinnigem Gespür auszufüllen wusste. Wie die Maude in dem Klassiker „Harold and Maude“. Mädchenhaft-keck gab sie diese lebenshungrige, unangepasste Frau, die sich fast 80-jährig noch einmal in einen jungen Mann verliebt.
Die Zeit vor der Wende war für sie die aufrüttelndste. „Ich hatte das Gefühl, etwas besonderes zu leisten. Gerade in Potsdam wurde, mehr als woanders, bewusst kritisches Theater gespielt. Das machte die Sache pikant – und das Publikum raste in die Stücke. Heute kann man nun alles sagen – und eckt kaum noch an“, sagte sie 2001 in einem PNN-Gespräch. Gertraud Kreißig spielte unter verschiedenen Intendanten. Einer, der sie sehr verehrte, war Ralf-Günter Krolkiewicz. „Sie ist eine Schauspielerin, die mir immer Vorbild war. Niemand konnte sie zu irgend etwas zwingen, sie ließ sich nicht verbiegen“, sagte er bei der Theaterpreis-Verleihung.
Vielleicht kann man die kompromisslose, vielfarbige Mimin ja auch im neuen Theater als Gast einmal wiedersehen.
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