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Kultur: „Sieben auf einen Streich“

HOT präsentierte gestern künftige Spielstätten

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HOT präsentierte gestern künftige Spielstätten Mit dem Amtsantritt des Intendanten Uwe Eric Laufenberg weiß sich das Hans-Otto-Theater „Unterwegs“, zu neuen Ufern in Kunst und Gesellschaft, aber auch zu neuen Räumen, darin man Theater spielen oder „Diskurse“ führen kann. Wichtigstes Anliegen: Man will mit dem Publikum ins Gespräch kommen und wieder Meinungsforum werden. In einer der künftigen Spielstätten, dem Arnim-Haus/Industrieclub Potsdam, stellte am Sonntagvormittag die frisch-belebte, fast glühende HOT-Mannschaft das Programm der nächsten Wochen vor, wo innerhalb kurzer Zeit sieben (ausverkaufte) Premieren, darunter Ur- und deutsche Erstaufführungen, in kurzen Abständen aufeinander folgen sollen. Der Intendant selbst moderierte auf einer braunen Couch die einzelnen Posten, hinzugerufen wurden Regisseure und Spieler des erneuerten Teams. Wenigstens sechzig Neugierige waren der Einladung zur Matinee gefolgt. Ein Omen. Den Anfang machte der aus Armenien stammende, türkische Regisseur Yüksel Yolcu mit dem Kinderstück „Paulas Paul“ (21.10.) nach dem Roman von Ulf Stark, darin ein 12-jähriges Mädchen für einen Jungen gehalten wird, den sie fortan nach außen hin auch spielt, bis sie sich verliebt. Fragen nach dem Erwachsenwerden, nach Geschlecht und Identität stehen im Zentrum dieser sensiblen Inszenierung. Um die „Sieben auf einen Streich“ in nur zweieinhalb Wochen überhaupt zu bewältigen, hat Laufenbergs Team schon im Sommer vorgearbeitet. Es täte Inszenierungen gut, wenn man sie auch mal liegen lassen könne, sagte er. Eine solche ist „Herz schlägt Tod“ (5.11.), gleichfalls von Yolcu in Szene gesetzt. Wieder stehen existentielle Fragen im Vordergrund. Die Kanadierin Colleen Murphy beschreibt, wie Eltern nach dem Tod ihrer durch einen Unfall verstorbenen Tochter wieder ins Leben zurückfinden. Katja Riemann wird die Figur der Mutter geben. Beide Stücke werden in einer veränderten Reithalle A zu sehen sein, darin man das feste Gestühl entfernte, um die Bühne nach den Erfordernissen der Dramatik einzurichten. Überhaupt zeigte sich der „Neue“ mit seinem Team, das er auf „Shakespeare-Größe“ hält, zufrieden: „Mit 20 Leuten kann man alles spielen!“ Wohlan, auch „Lina“ (22.10.), ein Fünf-Personen-Stück über die Aufbruchszeit inmitten napoleonischer Besetzung, der Frühromantik, über die lebenshungrige Selbstmörderin Karoline von Günderode, wie Autor Markus Hille sie sieht. Man wird dem „Karrieristen“ Karl von Savigny begegnen, den beiden Brentano“s - Laufenberg selbst führt im Schlosstheater Regie. Gleichfalls um Frühromantik und Napoleon geht es in Kleist“s 1807 geschriebener „Hermannsschlacht“ (23. Oktober), welche in der ausgeräumten Blechbüchse (sie kann demnächst für einen Euro erworben werden!) toben wird. Regisseur Tobias Sosinka will einen Helden zwischen Größe und Terror zeigen, mithin ein Stück, wo sich Fragen nach dem Maß von Freiheit ebenso festmachen lassen wie das Verhältnis von Großmacht und Zwergstaat in heutiger Färbung. Auch an humorigen Passagen fehle es nicht, versprechen die Macher. Scheinbar leichtere Kost bietet „Bedeutende Leute“ (29.10., Reithalle B) in einem aberwitzigen Treffen zwischen Einstein, der Monroe und dem Kommunistenjäger McCarthy, welches in einer US-Wüste stattfindet. Im Hintergrund dieser Komödie – ebenfalls im Sommer vorbereitet – hat Regisseur Guntram Brattia Fragen nach der Verantwortung Einsteins an der Atombombe sowie Kritik am American Way of Live versteckt. Napoleon zum Dritten, durch russische Gestalten gespiegelt, verspricht die Piscator-Fassung (1961) von Tolstoi“s Monumentalwerk „Krieg und Frieden“ in der Französischen Kirche (30.10.). Auch hier werden Existenzfragen angesprochen: Wer steuert Welt und Mensch, wie sinnvoll sind Reformen, die gar keiner will? Gisbert Jäkel führt Regie. Bleibt Schubert“s „Winterreise“ (12.11.) als szenische Version im Schlosstheater mit Bariton Jan Buchwald. Intendant Laufenberg übernimmt die Spielleitung dieses besonderen Abends. Ein intellektuell anspruchsvoller Theatermarathon erwartet also den Besucher mit guten Versprechen. Gelegenheit auch, die neuen Gesichter des HOT in verschiedenen Rollen und unbekannte Regisseure kennen zu lernen. Das ist auch so gewollt. Gerold Paul

Gerold Paul

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