Kultur: Sieben auf einen Streich
Sigi Helgards „Kulturen der „Welt“ und Kanzler-Porträts im Mercure
Stand:
Hand in Hand geht ein winziges Menschenpaar immer tiefer in die bizarre Bergwelt der Wüste von Utah hinein, in ein sehr „Weites Land“. Diffuses Licht liegt über der Szene. Es ist dort am intensivsten, wohin der Weg die beiden führt. Die Wanderer, so erzählt die Hamburger Malerin Sigi Helgard, seien sie und ihr Mann, der Weg aber lenke das Paar in die „Unendlichkeit“, ins Verschwinden.
Diese ganz in Altrosa gehaltene Phantasie ist eines von 32 Bildern, die derzeit im Konferenzbereich des Hotels „Mercure“ zu sehen sind. Dem „echten Kenner“ werden vielleicht nicht alle gefallen, aber sie zeigen jedermann das ganz erstaunliche Innenleben einer Frau, die von sich behauptet, süchtig nach Bildern zu sein. Über tausend habe die ehemalige Buchhalterin bereits gemalt, viele verkauft, und dabei auch etliche Ehrungen bekommen, zum Beispiel den Großen Preis von Europa „La Musa dell“ Arte“ 1998.
Alle erzählen nach ihrem Willen eine Geschichte, etwa die Gänsefamilie „mit ihren Tanten“ im Watt, das an einen Film erinnernde „Liebesspiel der Fische“ oder die als Vegetarierin getarnte „Schlupfwespe“ auf einer erdachten Blüte. Dunkel also leuchten die schönen Augen zweier Clowns, das Rapsfeld vor ihrer Haustür glüht in einem fast unwirklich hellen Licht, während ihre Griechenland-Impression eher fahl wirkt. Dies Licht, beteuert die Malerin, sei tatsächlich „so“ gewesen, „es war vor mir“ da.
Sigi Helgard freut sich, wenn ihre Bilder gefallen. Sie sind meist in leuchtenden Farben gehalten, bevorzugen eine zentrale Perspektive, die Sujets entbehren selten einer vollkommenen Form, wie es Sonne und Mond ja beweisen.
Einige wirken, obwohl Ton in Ton, rasch und grob gearbeitet, wie der „Einstein-Turm“. Andere zeigen in fast realistischer Überzeichnung die Details einer Straße von Hamburg oder Königsberg, wobei auf die plastische Pflasterung extra großer Wert gelegt wird. Die Künstlerin wurde ja im ostpreußischen Allenstein als Kriegskind geboren. Alles in Öl gemalt, mit einer lasierenden Technik, deren Strahlkraft der Flur im „Mercure“ nur ungenügend wieder gibt.
Man findet additiv arrangierte Bilder aus der 14-teiligen Serie „Kulturen der Welt“, die Gruppe von vier Frauen, welche von der angekündigten Tempelzerstörung zu Jerusalem erfahren, aber das Hauptstück der Sammlung weist auf etwas anderes. Es ist ihr gelungen, alle sieben Bundeskanzler nach Vorlagen zu porträtieren, und gleichwohl keiner von ihnen den Künstlern sagen darf, ob ihm sein Konterfei auch gefällt, so weiß die Hamburgerin doch, dass Willy Brandt, der 52 Mal gemalt wurde, gerade ihr Bild mit sich nach Hause nahm.
Sieben auf einen Streich: Adenauer, der älteste und für sie auch beste, ist der Bildrahmen fast zu eng, scharf gezeichnete Gesichtszüge, sehr gestrenger Blick, Brandt eine Sympathie-Erscheinung, während man Herrn Schröder erst auf den zweiten Blick erkennt. Sehr blass und flach Kiesinger und Kohl. Warum? „Sie waren ja in ihrer Amtszeit auch blass!“ Verstanden.
Diese bildfüllenden Gesichter gehören wahrscheinlich nicht zu den Werken, welche am Geist erkrankte Menschen beruhigen können, von denen Sigi Helgard spricht, eher die Clowns.
Drei Werke sind Potsdam gewidmet, es darf gekauft werden. Wie Sigi Helgard nun aus ihrer inneren „Schatzkammer der Bilder“ schöpft, so weiß sich der neue Hotel-Chef, Stefan Seiler, mit dieser Exposition recht dezent der Potsdamer Öffentlichkeit zu empfehlen. Gerold Paul
Vorerst bis Ende Oktober
Gerold Paul
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