Kultur: Silber und Gold
Bachs Kantaten 1 bis 3 des Weihnachtsoratoriums im Nikolaisaal
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Bachs Kantaten 1 bis 3 des Weihnachtsoratoriums im Nikolaisaal Der alljährliche Reigen der Aufführungen des „Weihnachtsoratoriums“ von Johann Sebastian Bach in Potsdam begann mit der Singakademie und dem Neuen Kammerorchester Potsdam im Nikolaisaal. Unter der Leitung von Edgar Hykel war eine respektable, grundsolide Aufführung der Teile 1 bis 3 des Oratoriums zu hören. Die Vokalsolisten, allen voran Undine Dreißig, Alt, setzten Glanzlichter auf. Auch aus den von Konzertmeister Wolfgang Hasleder angeführten Orchesterreihen tönten wohlige Klänge, insbesondere bei den zahlreichen Solo-Einsätzen. Überaus agile Oboen d“amore erfreuten das Gehör, die Solo-Flöte führte auf die Schafweiden hinaus, Fagott, Blechbläser und Pauken sorgten für festlich-mächtiges Prunken und Glänzen. Das Orchester schien allerdings fast von allein zu spielen, wurde gelegentlich auch etwas übermütig. So schmetterten die Trompeten ziemlich frech, etwa bei der Arie Nr. 8 „Großer Herr und starker König“ oder bei Nr. 24 „Herrscher des Himmels“. Nicht nur diese nach dem Chorsatz „Blühet, ihr Linden in Sachsen“ geschriebene Arie auch andere Stücke, nach denen Bach sein „Weihnachtsoratorium“ weniger komponiert als zusammengefügt hat, verblüffen durch ihre profanen Originaltexte. Nicht weniger als 17 Stücke der Partitur entstammen weltlichen Festkantaten, die Bach zu verschiedenen Anlässen komponiert hat, bei anderen sind die Vorlagen unbekannt. So beruht die Arie „Großer Herr und starker König“auf einer Komposition mit dem Text „Kron und Preis gekrönter Damen“. Wenn auch die Machart von Parodie und Zitat in Kontrast zum künstlerischen Ideal späterer Zeiten steht, gehörte sie im Barock zu den üblichen Verfahren. Allein entscheidend waren Wirkung und Effekt – dass diese bis heute anhalten, zeigt sich jedes Jahr wieder: Das „Weihnachtsoratorium“ von Bach ist hier zu Lande eines der bekanntesten und beliebtesten weihnachtlichen Musikstücke. Als großer, traditionsreicher Potsdamer Chor gab die Singakademie ihr Bestes, wenn auch sie – wie die meisten Chöre – unter Herren-Mangel leidet. Wo sind die singenden Männer geblieben? Ist ihnen der Gesang im Zuge der Evolution abhanden gekommen? Das sind Fragen, die sich dem Zuhörer von heute stellen. Der neue Leiter, Edgar Hykel, weiß, wie viel er von seinem Chor fordern kann und schont sich selber nicht, wie die Dynamik seiner Einsätze zeigt. Bei den Solisten gab der junge, südafrikanische Tenor Albertus Engelbrecht seinen Einstand mit schöner Stimme. Besonders gut erfüllte Thomas Wittig, Bass, seine Partien. In den Rezitativen und Arien überzeugte er mit klarer Artikulation und würdevoller Interpretation. Die Sopranistin Christine Wolff durfte – ein hübscher Einfall – als Engel vom Rang aus verkünden, und gefiel im Duett mit dem Bass. Überragend sang die Altistin Undine Dreißig. Zum Höhepunkt geriet die Arie „Schließe mein Herz“, wo Glanz und Reinheit von Dreißigs Stimme im Duett mit der eleganten Solovioline von Wolfgang Hasleder in Ströme aus flüssigem Gold und schimmerndem Silber verwandelt wurden. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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