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Kultur: Sind ja nur zwei Menschen

„It’s only a rehersal“ mit Line Tørmoen und Dimitri Jourde in der „fabrik“

Stand:

Es passiert einfach. Ganz unvermittelt ist man ein Teil von „It’s only a rehersal“. Und weiß es in diesem Moment noch nicht einmal.

Es ist ein Spiel, ein allzu bekanntes Spiel, das Line Tørmoen und Dimitri Jourde auf der Bühne zeigen. Das Mit- und Gegeneinander von Mann und Frau. Ein klassisches Beziehungsduett, das in seinen Variationen unendlich scheint, obwohl die gezeigten Harmonien, die Konflikte so alltäglich, so banal-bekannt sind. Am heutigen Samstag und morgigen Sonntag ist „It’s only a rehersal“ in der Reihe „Meisterchoreografen“ in der „fabrik“ zu erleben.

Es ist keine Premiere, die hier stattfindet. Auch keine Erstaufführung auf der Potsdamer Bühne. „It’s only a rehersal“ von Ina Christel Johannessen mit Line Tørmoen und Dimitri Jourde war schon einmal im Jahr 2004 in der „fabrik“ zu sehen. Doch manche Stücke verlieren nicht ihre Kraft, im Gegenteil. Als Sven Till von der „fabrik“ im November bei einem Theaterfestival Line Tørmoen und Dimitri Jourde wieder auf der Bühne sah, war ihm sofort klar: Die müssen noch einmal nach Potsdam kommen. Dabei war das kein gewöhnlicher Auftritt.

„It’s only a rehersal“ wurde im Rahmen einer Präsentation verschiedener Tanztheatergruppen gezeigt. Nur Ausschnitte, die auf 20 Minuten beschränkt waren. Fast im Akkord folgte Tanztheatergruppe auf Tanztheatergruppe und sorgte bei den Besuchern schon bald für Unruhe. Für die letzte Aufführung stand „It’s only a rehersal“ auf dem Programm. In den Zuschauerreihen war die Unruhe immer größer geworden, erzählt Sven Till. Manche der Besucher wollten schon gehen, aber dann traten Line Tørmoen und Dimitri Jourde auf die Bühne und es schien, als würde die Zeit ausgebremst.

Da ist viel Nähe, wenn Line Tørmoen und Dimitri Jourde sich „It’s only a rehersal“ überstreifen. Eine Nähe, die kaum Abstand zulässt. Vor allem nicht für den Zuschauer, der von Anfang an Teil dieses Spiels ist. Es gibt nicht die klassische Abgrenzung zwischen Bühne und Zuschauerraum, genausowenig wie es eine klare Rollenverteilung in diesem Stück gibt. Mal sind Line Tørmoen und Dimitri Jourde sie selbst, dann wieder nur irgendein Paar. Dann Actaeon und Artemis aus Ovids „Metamorphosen“, in denen Actaeon die Göttin Artemis beim Baden überrascht und von ihr in einen Hirsch verwandelt, der von seinen eigenen Hunden zerfleisch wird. Die Strafe dafür, weil er die Göttin nackt sah.

„It’s only a rehersal“ ist auch hier ein Spiel. Ein Spiel mit einer Nacktheit, einer Entblößung, die nicht körperlich, sondern psychisch ist. Und damit viel mehr offen legt.

Schon bevor Line Tørmoen in Dimitri Jourde den richtigen Partner für dieses Duett fand, hat sie zusammen mit Ina Christel Johannessen an dem Stück gearbeitet, wie sie erzählt. Sie haben sich Zeit gelassen, immer wieder probiert, ohne Druck einer bevorstehenden Premiere. Und in dieser Verbindung wird die so berührende und packende, durch die unterschiedlichen Ebenen so verwirrende und gleichzeitig so faszinierende Atmosphäre von „It’s only a rehersal“ entstanden sein. Denn da ist dieser besondere Zauber, vielleicht auch das Geheimnis dieser 60-minütigen Performance: Sie umarmt den Zuschauer, packt ihn, reißt ihn mit, wird grob zu ihm und entblößt ihn auf gewisse Weise auch, weil er sich nicht in die Anonymität des Publikums zurückziehen kann.

Den Titel „It’s only a rehersal“ (Es ist ja nur eine Probe) hat Choreografin Ina Christel Johannessen aus Wong Kar-Wais Film „In the Mood for Love“ entnommen, in dem auch die altbekannte Geschichte von der Liebe zweier Menschen, den damit verbundenen Irrungen und Wirrungen, den Harmonien und Konflikten erzählt wird. Doch auch wenn man immer wieder den Titel als eine Art Anker zu nutzen versucht, der einen vor diesem sanften, aber so unnachgiebigen Sog schützen soll, der durch das Zusammenspiel von Line Tørmoen und Dimitri Jourde entsteht, es wirkt erstaunlich hilflos. „It’s only a rehersal“ passiert einfach. Und schon ist man mittendrin. Dirk Becker

Am heutigen Samstag, 20 Uhr, und morgigen Sonntag, 15 Uhr, in der „fabrik“, Schiffbauergasse. Sonntag gibt es eine Stückeinführung, die Einblicke in die künstlerischen Prozesse und Entwicklungsschritte gewährt. Eintritt kostet 14, ermäßigt 9, für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre 3 Euro

Dirk Becker

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