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Kultur: Sinfonisches und Klezmer Die Kammerakademie

mit dem Orlowsky Trio

Stand:

Das Gefühl für unterschiedliche musikalische Stile auch jenseits der Klassik haben die Musiker des David Orlowsky Trio auf mancherlei instrumentale Nebenwege geführt. Wie dem des Klezmer. Wörtlich übersetzt bedeutet der Name „Gefäß des Liedes“ und bezeichnet eine aus dem aschkenasischen Judentum stammende Volksmusiktradition. Im modernen Hebräisch benennt man damit schlichtweg einen jüdischen Musiker. Doch längst ist Klezmer zu einer ganz eigenen musikalischen Stilrichtung geworden. Deren besondere Merkmale: instrumentale Melodielinien, die an die menschliche Stimme mit ihren Schluchzern und trillerähnlichen Tonfolgen erinnern. Gespielt wurden die Tanzweisen vorzugsweise auf Geige, Klarinette, Hackbrett, Akkordeon sowie Kontrabass und erklangen vor allem auf Hochzeiten und anderen Festen. Von dieser Tradition ließen sich die komponierenden Mitglieder des Trios – Klarinettist David Orlowsky, Gitarrist Jens-Uwe Popp und Kontrabassist Florian Dohrmann – zu stimmungsvollen bis turbulenten Kompositionen anregen. Doch warum sie nicht in eine größere Form bringen?

Also haben sie fünf befreundete Komponierkollegen gebeten, ausgewählte Repertoirestücke für ein sinfonisches Klanggewand umzuschneidern. Diese Arrangements sind ganz vorzüglich gelungen: fern gefälliger Kommerzware, dennoch mit erhöhter Suchtgefahr. Wesentlichen Erfolg an dieser Phonosynthese hat die Kammerakademie Potsdam (KAP), die das Trio gleichsam zum Surfen auf einer von ihr erzeugten mächtigen Klangwelle einlädt. Das Ergebnis dieser exzellenten Zusammenarbeit ist auf der Sony-Silberscheibe „Symphonic Klezmer“ hörerlebnisreich nachzuvollziehen. Die Verschmelzung der Klangfarben beider Ensembles gelingt dabei auf überraschende Weise. Beispielsweise in „Philomelos“, das im großen Orchesterarrangement beginnt, dem der solistische, rhythmisch betonte Trio-Auftritt folgt. Fast unmerklich treten die KAP-Streicher hinzu. Alsbald entsteht ein swingender Stilmix aus Folklore, hackbrettähnlichen und jazzigen Einflüssen, stampfendem Flamenco, Populärem und romantischen Klassikklängen.

Im Vordergrund der insgesamt zwölf Titel steht die Klarinette, die auf urwüchsige Weise das Stimmungsbild von „Istanbul“ kantenklar konturiert. Keck auftrumpfend und durchdringend bestimmt sie auch die tänzerische Lebensfreude zwischen gefühlvoll, draufgängerisch und sentimental in der „Juli“-Betrachtung. Auf sehr einfühlsame, dennoch intensive Weise wechseln und ergänzen sich der prägnante, brillante Orchesterklang mit dem Trio-Sound. Mal sind die Klezmorim, das heißt alle Musikanten, auf der Welle und reiten sie ab, mal die KAPisten. So bauen sich in „Satin“ spannende Wechselwirkungen zwischen Orchester und den Soli von kraftvoll geschlagener Gitarre und softig-angerauter Klarinette auf, gibt es rhythmische Zuspitzungen und anwachsende Lautstärken. Pointiert und motorisch dräut das „North“-Stück. Von Jagdfieber gepackt tanzschleicht sich „Le Tigre“ in eine vergnügte Gesellschaft, präsentiert die „Balkanplatte“ ein feuriges Klangmenü, steigt aus dem Gefäß des Liedes ein zwischen elegisch und heißblütig pulsierendes „Happiness“-Gefühl. Nach 60 Minuten Spielzeit ist die Erkenntnis gereift: Symphonic und Klezmer gehen, in dieser Interpretenmischung, ganz vorzüglich! Peter Buske

Peter Buske

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