Kultur: Sing'' mir das Lied von Liebe
Pasticcio-Premiere zum Auftakt des Rokoko-Opernfestes im Schlosstheater
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Pasticcio-Premiere zum Auftakt des Rokoko-Opernfestes im Schlosstheater Rokokokostümiert flanieren edle Fräuleins, flirten Galane um deren Gunst, tändeln junge Liebespärchen Das Geviert vorm Schlosstheater im Neuen Palais ist in eine heiter-sorglose Szenerie verwandelt, so recht dazu angetan, sich im Hause auf die Ergebnisse der märkischen Pastetenbäckerei „I Confidenti“ einzustimmen. Aus dem schier unüberschaubaren Musikfundus der friderizianischen Epoche hat das junge, entdeckungsfreudige brandenburgische Opernensemble für Alte Musik Arien, Duette und Ensembleszenen aus Kantaten vornehmlich von Johann Adolph Hasse und Carl Heinrich Graun zusammengesucht. Aus diesen Zutaten verfertigte es ein zartschmelzendes Kammeropern-Pasticcio „L''Amor Pastorale oder Sing mir von Liebe“. Gewürzt und fein abgeschmeckt mit Instrumentalkompositionen von Franz Benda, Ernst Gottlieb Baron und Friedrich II., ist es eine Köstlichkeit für Kenner und Genießer gepflegter Klänge und schöner Stimmen. Die Arien werden durchweg italienisch, die Rezitative deutsch gesungen. In des Monarchen verspieltem Theater wird das Sing-Spiel um die Liebe, mit dem sich das 1. Rokoko-Opernfest 2004 festlich eröffnet, am passenden Orte dargereicht. Für dieses (und andere Vorhaben) ist der Bühnenraum von Christine Jaschinsky, Malerin, Ausstatterin und künstlerische Co-Leiterin des „I Confidenti“-Ensembles, neu gestaltet worden. Die Gassen bilden sich durch fünf Kulissenpaare, deren weiß-rote Säulenränder an venezianische Gondelliegeplätze erinnern. Die Soffitten sind Variationen in hellen gelb-beige-braun-Tönen. Der Rückprospekt zeigt sich als bogenüberwölbte Balustrade. Der Touch von handfester Commedia dell''arte ist unübersehbar – optisch sicherlich ein gewollter Kontrast gegenüber den arabeskenreichen Verzierungen des Zuschauerraums. Dabei hätte das stilisierte, posenreiche Spiel um Amore eher in ein höfisches Ambiente gepasst. In farbenfrohen, prächtigen Kostümen, wobei die Männer abstehende Barockröckchen anmutig zu tragen wissen, spreizt man sich wie ein Pfau, steht blasierten Gesichts gelangweilt in der spartanischen Szene, versteckt sein Gesicht und Gefühl hinter wechselnden Stabmasken. Der morbide Charme des venezianischen Karnevals ist allenthalben zu spüren. So kann sich in den unaufwändig arrangierten Personenkonstellationen (Frank Schleinstein) alles aufs Singen konzentrieren. Es wird vorzüglich betrieben, nachdem die allegorische L''Armonia (Marianne Schuster, Tanz) als Spielmeisterin der (Bühnen-)Gastgeberin Christine (Wolff, Sopran) das Feld zur Konversation über die Liebe überlassen hat. Mühelos schwebt deren lyrische Stimme. Empfindungsvoll kündet sie zunächst von Liebessehnsucht. Wenig später meditiert sie über die Vergänglichkeit von Schönheit und anderen körperlichen Reizen: „Nel verd'' e dolce aprile“ (J.A.Hasse). Auch wenn später affektgeladen von Wut, Rache, Eifersucht und anderen Verletzungen der Seele gesungen wird, verliert ihre Stimme nie die Contenance, schwelgt sie kokettierend und koloraturensicher. Wie es der von der Dramaturgin Babette Hesse geplante Zufall will, werden der adrett aussehenden Salonlöwin von Musiklehrer Maximilian (Schmitt, Tenor) zwei neue Partner zum Plaudern, Singen und Liebesspielen zugeführt: Alexander (Schneider, Altus) und Benjamino (Robert Crowe, Sopran). Nun kann die Minihandlung beginnen. Wie der Name schon andeutet, entpuppt sich Benjamino als Novize in Liebesdingen. Linkisch bewegt er sich in der Szene, was nicht der komischen Wirkungen entbehrt. Auch er ein Lyriker, zart und kunstvoll in Sopranregionen zu Hause, wenngleich er gelegentlich in der Höhe mit Sprödigkeiten zu kämpfen hat. Den Liebeslektionen von Maximilian ist er bald überdrüssig. Dieser, der sich anfangs so selbstsicher zeigt und mit tenoralem Schmelz sich affektsüß vorgetragenen Gefühlen hingibt, findet sich plötzlich auch auf dem umtobten Schlachtfeld der Liebe wieder. Wo Zuneigung und Geborgenheit die Herzen entflammte, zeigt sich ihm die Liebe nun von ihrer grausamen Seite. Der besungene, in entsprechende Lichtstimmungen getauchte „Zauber gewisser Nächte“ geht thematisch zunehmend in die Binsen. Auch Altus Alexander Schneider singt nicht weniger anrührend von Seelenschmerz und Liebesleid. Die einstigen sanftmütigen Bekundungen, turteltäuberischen Ergüsse und glutvollen Liebesflüstereien sind endgültig perdu. Ein glückliches Ende zwischen den Partnern gibt es nicht – stattdessen einen Hymnus an den Gott Amor: „Süß ist es zu lieben!“ Die Momentaufnahmen aus dem Leben junger Liebender werden vom Rokoko-Kammerorchester unter Leitung von Cembalist Alexander Weimann begleitet. Eine kleine Spielgemeinschaft, die u.a. mit drei Geigen auskommt und dennoch ein tragfähiges Streicherfundament liefert. Sie pflegen die feinen und leisen Töne, sind mit der historisierenden Spielweise bestens vertraut, baden in wohltemperierten Klängen. Gelegentlich erhält die Sopranistin kapriziöse Begleitung durch Christoph Huntgeburth (Traversflöte). Mit langem und kräftigen Atem spielt er auch die den Abend würzenden Flötenpiecen von Friedrich II. und Benda. Dem fantasieanregenden Ausflug ins Seelenarkadien von Liebesfreud und Liebesleid fällt herzlicher Beifall zu. Peter Buske Nächste Vorstellungen: 19., 27. und 29.8., Schlosstheater im Neuen Palais.
Peter Buske
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