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Kultur: Sinnerfüllt und leidenschaftlich Weihnachtsoratorium zum „Vocalise“-Finale

Beide Werke sind jahresendliche Erbauungsmusiken mit visionären Vorstellungen. Wie Beethovens „Neunte“ mit ihrem Bekenntnis, dass alle Menschen Brüder werden würden, den Jahreswechsel bestimmt, verkündet das Bachsche „Weihnachtsoratorium“ die frohe Botschaft von der Geburt Jesu in der Adventszeit.

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Beide Werke sind jahresendliche Erbauungsmusiken mit visionären Vorstellungen. Wie Beethovens „Neunte“ mit ihrem Bekenntnis, dass alle Menschen Brüder werden würden, den Jahreswechsel bestimmt, verkündet das Bachsche „Weihnachtsoratorium“ die frohe Botschaft von der Geburt Jesu in der Adventszeit. Jedenfalls heutzutage. Auf Konzertpodien und in Kirchen wird in diesen Tagen reichlich von „Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ gesungen. So auch in der Erlöserkirche, wo Samstag zum Abschluss des „Vocalise“-Festivals die Kantaten I-III des „Weihnachtsoratoriums“ BWV 248 erklangen. Aufgrund der großen Nachfrage zweimal! Wie kaum ein Werk entsprach es dem diesjährigen „Vocalise“-Motivs der geistlichen Poesie.

Von ihr lässt sich Dirigent Ud Joffe inspirieren, der auf eine langjährig erprobte und erfolgreiche Ausdeutung setzt, bei der sich die Zuhörer gut aufgehoben fühlen können. Festlich-fröhlich ist die Grundstimmung seiner Lesart, der das Neue Kammerorchester, die Potsdamer Kantorei nebst ihrer kinderbesetzten Nachwuchsschmiede (nur bei der 17-Uhr-Aufführung) und ein vorzügliches Solistenquartett mit Hingabe folgen. Bereits bei der instrumentalen Intrada zum Einleitungschor, die elegant und federnd, mit harten Paukenwirbeln und glanzvoll strahlenden Trompeten erklingt, ist des exzellent ausbalancierten Jauchzens und Frohlockens kein Ende. Mit Eintritt der Chorstimmen setzt sich‘s fort, ohne bei allem kraftvollen Tönen je zu forcieren. Die beweglichen, sauber intonierenden Stimmen verschmelzen zu einem Klang voller Ausgewogenheit, Lebendigkeit und Schönheit, feiner dynamischer Abstufungen und spannender Übergänge. Da wird der Herr nicht nur freudig bejubelt, sondern auch „mit herrlichsten Tönen“ lieblich besungen. Der Hörer spürt: Hier wird aus innerem Erleben heraus lobgepriesen, sind die Vorträge schlichter Choräle, verstärkt durch die unbekümmerten Kinderstimmen der Kantoreischule, genauso aus der Seele gespeist wie die packenden Chöre.

Tempozügig, ohne jedoch zu hetzen, geht es durch die Weihnachtsgeschichte. Geschmeidig, voller Rundung und präzise im Zusammenspiel, mit solistischer Holzbläserinnigkeit von Flöte, Fagott und zwei Oboen bei der Arienbegleitung erweist sich das Neue Kammerorchester als vorzüglicher Diener und Deuter des Bach-Werkes. Fröhlich bewegt und sanft wiegend im Siciliano-Rhythmus schwingt und schwebt die Hirtenmusik vorüber. In gleicher Vorzüglichkeit präsentieren sich die vier Solisten. Sie alle sind enorm textverständlich, rezitativ-rhetorisch außerordentlich versiert, von enormer Ausdrucksintensität in den Arien, kraftvoll und höhensicher – ein Genuss für die Sinne. Ob Tehila Nini-Goldstein (Sopran) als Engelsstimme, André Khamasmie (Tenor) als spannender „Reporter“ und kehlenflinker Ariensänger, Regina Jakobi (Alt) als warmtönender und von zärtlichen Trieben erfüllter Mutter Maria oder Matthias Vieweg (Bassbariton) als leidenschaftlicher „Großer Herr und starker König“-Verkündiger – ,alle erweisen sich als vorzügliche Oratoriensänger, die jegliche pastoral-epische Breite meiden, stattdessen den überaus lebendigen Vortrag bevorzugen. Alles zusammengenommen: Was kann man sich Besseres für eine sinnerfüllte Wiedergabe von Bachs „Weihnachtsoratorium“ wünschen. Peter Buske

Peter Buske

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