Kultur: „So a Stückerl heile Welt“
Kunstverein im Luisenforum mit „Kunst im Wald“
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Not macht erfinderisch. In Zeiten ausgeschöpfter Kulturkassen ist da durchaus mal Improvisationstalent gefragt. Erkannt, getan: Zum Auftakt in die neue Kunstsaison bläst der Brandenburgische Kunstverein beherzt zur „Kunst im Wald“ ins Horn. Gedacht als „eine Sammlung von Reaktionen auf die kulturelle Auswilderung“. Umgesetzt durch die selbst auferlegte Beschränkung auf minimale Mittel und die maximale Lust auf ein weiteres Exempel kreativer Koproduktion. Binnen kürzester Zeit sind 13 vereinstreue Künstlerinnen und Künstler dem „Halali“ gefolgt und haben frisch und frei eine hintersinnig-pfiffige Schau gestemmt.
Das Ausstellungsmotto lässt sich wunderbar in alle Richtungen ausweiden. Auch der lauthals röhrende Hirsch kommt dabei zu seinem Recht. Und vieles mehr, was sich im Dunstkreis von Naturromantik dazu auch noch mitdenken lässt. „So a Stückerl heile Welt“ hat Anne Heinlein ihre 15-teilige Porträtserie genannt. Ein imposantes Memory singender Gesichter samt Gipfelkreuz, von der Potsdamer Künstlerin bei Volksmusikproduktionen der Babelsberger Filmstudios vom Fernsehbildschirm abfotografiert. Im weiteren Sinne heimatlich geht es auch in anderen Ausstellungsbeiträgen zu: in den schlichten Fotos des Potsdamer Foto- und Ausstellungsdesigners Björn Gripinski, in Jörg Schlinkes gefilmtem „Hirschbild mit Landschaft“ oder in Heidi Sills kleinteiligen Collagen zum Thema „Kaminzimmer“.
Wer sich diese Interieurs mit Kamin ganz aus der Nähe anschaut, wird in den sauber gerahmten klischeebeladenen Katalogausschnitten kleine aber feine Manipulationen der Kaminzimmergemütlichkeit mit Schere und Aquarelltechnik entdecken. Während Schlinkes Hirsch kaum wahrnehmbar und vor allem vollkommen still im Dämmerlicht des anbrechenden Morgen verharrt, tönt es in unmittelbarer Nachbarschaft umso eindeutiger hirschverdächtig aus der Ecke. Eine aus zwei Videodisplays + Lautsprecher bestehende Installation von Karl Heinz Jeron macht es möglich. Mehr röhrenden Hirsch gibt es via Download von der Website des Künstlers als Klingelton.
Wald bedeutet aber auch die latente Gefahr von Orientierungsverlust. Für die Kunst im Wald umso mehr Ansporn, die eigene Position entschieden auszuloten bzw.– so in den „Lichtungen“ von Göran Gnaudschun und in den „Gärten Tykopias“ von Maik Wolf - auszuleuchten. Der Gefahr, angesichts mancher sich nicht unmittelbar erschließender Exponate die Peilung zu verlieren, begegnen die Ausstellungsmacher mit einem detaillierten Raumplan inkl. Preisliste. Anders als sonst gerät die Verkäuflichkeit von Kunst – für den Verein eher a-typisch – diesmal kalkuliert mit in den Blick. Denn ein Teil des Erlöses ist für die Sicherung der Vereinsarbeit vorbestimmt. Die ausgestellten Künstler, die das Ausstellungsprogramm im Laufe der letzten drei Jahre maßgeblich prägten und mitgestalteten, haben sich an dieser Stelle spontan solidarisch erklärt. Ihre Mitwirkung bei der Ausstellung und ihre Bereitschaft, auf den Verkaufserlös ihrer Arbeiten ganz oder teilweise zu verzichten ist eine noble Geste.
So wie der Verein seine Künstler durch Ausstellungstätigkeit und Künstleraustausch fördert, so wird er nun von ihnen gestärkt und unterstützt. Wie heißt es doch so schön? So wie es in den Wald hineinruft, schallt es wieder heraus! In diesem Sinne wirkt die Ausstellung auch als Selbstbestätigung für den Verein und seine Künstler, trotz so mancher Stolpersteine unbeirrt auf gutem Weg zu sein.Almut Andreae
Bis 30.September, 12-18 Uhr, Brandenburgischer Kunstverein, Luisenforum.
Almut Andreae
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