Kultur: So einen möchte ich auch mal haben! „Theaterkekse“ spielten Drosselbart
Oh günstiges Geschick! Als letztes hat nun auch die Medizin den Nutzen der guten alten Märchen für sich entdeckt.
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Oh günstiges Geschick! Als letztes hat nun auch die Medizin den Nutzen der guten alten Märchen für sich entdeckt. Mit ihnen ließen sich sowohl „Standortbestimmungen“ eines Patienten vornehmen, andererseits enthielten die alten Haus-Märchen (deshalb heißen sie ja so) auch Heil- oder Lösungsvorschläge, schrieb jüngst eine Fachzeitschrift über jene „Märchentherapie“. Die fleißigen „Theaterkekse“ vom Leibniz-Gymnasium brauchten keinen Medizinkurs, um herauszufinden, dass die beiden Blaublütler Felix und Lydia unbedingt von ihrer Lebensuntüchtigkeit geheilt werden müssen, bevor man sie heiraten lässt. Er ist nur ein Träumer, sie eher eine sehr verwöhnte und selbstbewusste Zicke. Ein Fall für die „Märchentherapie“? Schließlich geht es hier um eine leicht veränderte Fassung des „König Drosselbart“, mit welcher sich dieser Teil der Theatergruppe am Mittwoch im Alten Rathaus von der Öffentlichkeit verabschiedete, das Abi steht ins Haus.
Zwei Königshäuser also. Im ersten ist die alleinerziehende und recht verfressene Königin Isolde (Aileen Boldt) über ihr Kronprinzchen Felix (German Leniger) unglücklich, er ist naiv und kann nix. Außerdem wird die Regentin ganz und gar von der schwarzen „Gräfin von Habe nicht“ (Nadine Kurzidem) beherrscht. Im zweiten Königshaus greint Gloria (Annika Baumgart) ihren Eltern Luisa (Anne Dörrwand) und König Rupert (Christian Martin) die Ohren voll, sie darf nach dem Erbrecht nicht heiraten, weil Zicke Lydia (Jenny Pfügner) alle Freier abweist und ihrer übel spottet. Prinz und Prinzessin zu kurieren, ist in der Bühnenfassung von Ingo Sax nun aber nicht Drosselbart gegeben, sondern seinem sehr sesshaften Hofnarren (Christopher Allemán) Tristan. Er opfert sich für eine Scheinehe mit Lydia. Die bekannten Abläufe in Wald und Hütte sollen dann eine Riesenwut auf ihn wecken, indes ganz zufällig der Arbeiter Felix aufkreuzt, um die Kittelbeschürzte zu trösten, weil sie doch zu rein gar nichts taugt. Ende gut – alles gut, Lydia, die eigentlich nur ihren Bräutigam selbst aussuchen wollte, sagt seltsam reuig Ja zum Drosselbart, Gloria bekommt den chargierenden Beau und Tennislehrer Boris von Stich (Daniel Wachowiak).
Auch ohne weiße Kittel gelang also der Plan ganz vortrefflich, alle heiraten irgendwie, nur Küchenmeister Röhrbein (herrlich Eric Zobel) nicht, der schreibt dafür ein Kochbuch.
Die lange Bühnenerfahrung der Truppe machte sich positiv bemerkbar. Man spielte engagiert, einfallsreich und witzig, teils auch lahmer, als die Regie (Elke Gerth) es sich wünschen musste. Betrachtete man sich Fabel- und Figurenführung genauer, so schien der Therapie-Effekt doch manchmal etwas märchenhaft geraten. Lydias Umkehr von einer „Emanze“ zum lieben Eheweib war zwar vorbildlich, aber so wenig begründet wie die seltsame Verwandlung von Träumer Felix in einen Protagonisten, vielleicht half Zofe Alina (Maria Lüdtke) mehr, als auf der Rathaus-Bühne zu sehen. Gut gelöst die Auftritte aus dem Saal, das Bühnenbild mit den beiden Wappen, die bunten Kostüme, die Frisuren – Kreationen aus Meisterhand! Nicht zu vergessen die vielen Anspielungen an die Welt der Eltern zu Liebe und Ehe, die szenischen Einfälle und Improvisationen. Wie romantisch junge Leute sein können, zeigte sich nicht nur beim "Drosselbart-Song". Als Felix seiner Lydia liebevoll aus der ollen Schürze half, seufzte ein Mädchen im Saal: So einen Mann möchte ich auch mal haben. Wozu Märchen nicht alles gut sind!Gerold Paul
Heute spielen andere „Theaterkekse“ im Alten Rathaus die Kriminalcollage „Das Böse, nein, es ruht und rastet nicht“ von Andreas Kroll.
Gerold Paul
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