Kultur: So oder so ist das Leben
Susie Asados Stimmenzauber im „nb“
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Kleider machen Leute, so sagt jedenfalls ihre Mutter. Und um diese Weisheit ein wenig am Leben zu probieren, hat sich Josepha Conrad extra fein gemacht für ihren samstäglichen Auftritt im Potsdamer „nachtboulevard“, auf dessen Bühne sie jetzt steht: Im bezaubernden schwarz-weiß gehaltenem Outfit aus Fünfzigerjahrekleid und -frisur, rotgeschminktem Mund, in den Händen ihre kleine Ukulele. Zusammen mit ihrem Bandkollegen Marko Hefele, der gerade noch einmal Backstage verschwunden ist, um den Dämpfer für seine Geige zu suchen, bildet sie das musikalische Duo Susie Asado, das die Macher des „nachtboulevard“ vom Hans Otto Theater ganz tief aus ihrer Schatzkiste gezogen hatten. Und was für ein Kleinod da von ihnen entdeckt worden war!
Wie war es möglich, dass zwei Menschen, nur mit Stimme und sparsamer Instrumentierung ausgestattet, einen so großen, beinahe völlig leeren Saal mit etwas füllen konnten, das weder peinlich noch verloren wirkte? Getreu ihres Bandnamens – Titel eines Gedichtes von Gertrude Stein – spielt Josepha mit Worten, probiert mit ihnen, erfindet sie, reiht sie in ihrem typischen Sprechgesang aneinander, lotet dabei die Nuancen ihrer Stimme aus, spricht die Worte mal sehr schnell, mal genüsslich langsam und freut sich an ihrem Klang, den beide Künstler sehr genießen, da er ihnen sonst in verrauchten und lauten kleinen Bars ein wenig abhanden kommt.
Darum spielen sie im großzügigen Raum der Reithalle besonders mit der Akustik, zupfen, klopfen, hauchen und pfeifen sich durch ihre Songs, deren Mix aus Folk und Pop und der etwas schiefe Sound ebenso verzücken wie die Texte, die mal in Englisch, mal in Deutsch und mal auch bunt durcheinander über die Dinge des Alltags philosophieren. Da bekommt eine besonders schöne Verkehrsinsel in Neukölln ebenso viel Aufmerksamkeit wie ein Hochhaus, dessen Biografie Josepha nachspürt, hatte sie doch am vergangenen Wochenende für ein Musikvideo selbst in einem Hochhauskostüm gesteckt und festgestellt, dass so ein Wolkenkratzerdasein keine leichte Sache ist.
Als sie schließlich über das eigene Zuhause singt, das sie demnächst in ein anderes tauschen wird, spürt man ihre Melancholie und wünscht sich beinahe, einmal eingeladen zu werden an diesen Platz, den sie anscheinend mit viel Liebe und Schönem gefüllt hat. Und während man noch ein wenig in den imaginierten Räumen geht, wechselt plötzlich der Song und die Stimmung, denn Susie Asado sehen auch die andere Seite des Nachhausekommens. Eben noch war man weit weg, es war warm, man hat einen Wasserfall gesehen, sich verlaufen, und plötzlich ist man wieder in den eigenen vier Wänden und die pragmatischen Dinge des Alltags holen einen ein.
So oder so ist das Leben und Susie Asado spielen damit, geben sich mal unprätentiös und sparsam, mal laut und schräg, trotzdem immer charmant und sehr verspielt. Sie machen ihren Koffer auf und entnehmen ihm Dinge und Stimmungen, die einen für eineinhalb Stunden vergessen lassen, dass draußen die nächtliche Kühle wieder unter die Kleider kriecht und sich im Schlaf eine Stunde davonstehlen wird.Andrea Schneider
Andrea Schneider
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