
© Jonas Kraus (derjonas.eu)
Kofelgschroa im Waschhaus Potsdam: So red man hier net
Aus dem Oberammergau in die preußische Provinz: Kofelgschroa spielten am Donnerstagabend ein bejubeltes Konzert im Waschhaus
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Da haben sie große Augen bekommen, mitten in der preußischen Hauptstadt Potsdam: Kofelgschroa waren am Doonerstagabend im Waschhaus, ein Name wie eine onomatopetische Erfindung aus den Bergen des oberbayrischen Oberammergaus. Neue Volksmusik heißt das Konzept der vier jungen Bayern, und das stimmt: Mit der herkömmlichen Blasmusik hat das eher wenig zu tun, auch wenn die Instrumentierung sich natürlich ganz klar dort anlehnt - mit Akkordeon, Gitarre, Horn und Tuba. Man mag erwartet haben, dass sich diese Neuheit auf bierseliges Oans-zwoa-gsuffa-Begleitung bezieht, aber das war einfach nicht der Fall. Kofelgschroa transportierten eine unvergleichliche Ernsthaftigkeit, eine Melancholie geradezu.
Wo zieht man denn da die Grenze zwischen belächelter Volksmusik und dieser tiefsinnigen Adaption derselben? Das wissen die Brandenburger doch auch nicht, die haben nämlich so etwas wie Volksmusik gar nicht erst: Mit Achim Mentzel scheint die letzte Säule der Wahrnehmbarkeit weggebrochen zu sein, und selbst das war peinlicher Schlager. Also stehen sie da, und betrachten eine Kapelle, die so exotisch wie eine vietnamesische Hip-Hop-Crew anmutet. Vielleicht auch, weil man ungefähr genauso viel versteht: Mundart, so was kennt man hier doch nur von Busfahrern.
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Dabei ist das, was Kofelgschroa bieten, die Jazzvariante bayrischer Volksmusik - und selbst diese süddeutsche Lethargie treiben sie auf die Spitze. Die Tuba dröhnt bassschwer, oft mit monotonem Teppich, der ein wenig an Electrobeats erinnert, dazu kanonhafter Gesang, dessen leicht schräge Kakophonie inszeniert wirkt - als solle sie über die Professionalität der Musiker hinwegtäuschen und eine Wirtshauslaienhaftigkeit entstehen lassen. Und immer wieder diese Tragik, diese Melancholie, das ewig Suchende.
Und dann bricht doch der Rock'n'Roll aus dem Quartett heraus, es werden Orgel und Schlagzeug auf die Bühne gezerrt, ein Abdriften ins Psychedelische, als hätte man damals die Doors in die Voralpen geschickt. Das könnte auch optisch passen, tragen die Jungs, die nun mit dem dritten Album "Baaz" auf Tour sind, doch statt Trachten eher Jeans und T-Shirt. Und dann ist man mittendrin, aber auch gleichzeitig weit weg: Eine beeindruckende Band, die man sich recht bald wieder herwünscht.
Oliver Dietrich
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