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Nikolaisaal Potsdam: So wird man glücklich

Start in die Nikolaisaal-Saison mit Strawinsky und der Kammerakademie Potsdam

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Beim Betreten des Nikolaisaals erblickt der erwartungsfroh gestimmte Besucher ein bereits dunkel gedimmtes Podium, auf dem zwei von vier Lesetischen mit Straßenanzugsmännern besetzt sind, die sich die Wartezeit mit dem Betrachten des langsam eintrudelnden Publikums vertreiben. Mitglieder der Kammerakademie Potsdam nebst Gästen sitzen ebenfalls schon vor ihren Pulten, stimmen sich auf den Beginn des Konzerts ein. Eine sozusagen offene Gesellschaft, die unter Leitung von Chefdirigent Antonello Manacorda Igor Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ lesen, spielen und tanzen will. Was sich dabei zwischen den Genres von Oper und Konzert abspielt, wird zusätzlich zur Premiere eines neuen Formats für das Nikolaisaal-Hausorchester zum „Teatro in musica“. Ein origineller Start in die neue Saison des Musentempels, der sich am Freitagabend ohne viel Federlesens vollzieht.

Nahezu abrupt lässt der Dirigent die schlagkräftig gespielten Klänge voller Schärfe und Klarheit zusammen mit der präzise-rhythmischen Deklamation des gereimten Textes ertönen. Katharina Thalbach ist dessen Vorleserin, ach was: eine unnachahmliche Nachgestalterin und wandlungsreiche Berichterstatterin der Geschehnisse, die dabei in verschiedenste Rollen schlüpft. Hinreißend, erzkomödiantisch. Aus drei versprochenen Tagen des dienenden Zusammenseins mit einem Unbekannten werden in Wahrheit drei Jahre. Kein Wunder also, dass den heimwärts wandernden Soldaten im Dorf niemand erkennt. Selbst seine Mutter nicht. Da muss doch der Teufel seine Hand im Spiele haben. Hat er auch. Er will unbedingt des Soldaten Ein und Alles, seine Geige, besitzen, verspricht im Gegenzug ein Zauberbuch, das ihm zu unermesslichem Reichtum verhelfen soll. Doch tatsächlich hat der Soldat dem Teufel seine Seele verkauft.

Ein wahrhaft faustisches Thema, das da in der „Geschichte vom Soldaten“ abgehandelt wird, die der Schweizer Poet Charles-Ferdinand Ramuz in knappen, aber wirkungsstarken Worten niedergeschrieben hat. Sie werden entweder pur gesprochen oder musikunterlegt prononciert rezitiert. So entsteht ein Sog, dem sich wohl kaum einer entziehen kann. Auch nicht der szenische Einrichter Benjamin Schad, der die Protagonisten nicht nur sittsam an den Tischen agieren, sondern auch darauf und darunter fröhlich saufen und lieben lässt. Dann wieder schauen sie den Musikern über die Schultern in deren Noten, raufen sich testosterongesteuert in slapstickhafter Manie um den Besitz von teuflischem Zauberbuch und Glücksgeige, auf der Peter Rainer höllisch gut die schärfsten Staccati und härtesten Attacken vollführt.

Doch auch das Tanzelement kann sich sehen lassen. Zuvörderst durch die chinesische ausdruckstanzintensive Ballerina Yasha Wang als kranke, unter epileptischen Symptomen leidende Prinzessin, die durch die Liebe des Soldaten geheilt wird. Dieser wird von Johannes Kühn als schlichtes Gemüt dargestellt. Tanzen, wenngleich etwas tolpatschiger, kann er auch, vor allem aber mit Sprache umgehen. Als ein solcher Modelleur erweist sich auch Bernd Moss als Teufel. Dass Reichtum nicht glücklich macht, steht außer Frage und alsbald auch fest. Zum rasant gespielten belzebubischen Triumphmarsch steht dem Soldaten nur noch die Podiumsseitentür offen. Dahinter wartet der Teufel mit zurückgewonnener Geige auf ihn. Anhaltender Jubel. Die Saison fängt ja gut an! Peter Buske

Peter Buske

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