Kultur: Softplaying
Orgelsommer-Konzert mit David Newsholme
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Wie hilfreich erläuternde Interpretenworte sein können, zeigte sich erneut beim Orgelsommer-Auftritt des Briten David Newsholme an der Woehl-Orgel in der Friedenskirche. Eine wahrlich zu begrüßende Neuerung in dieser Saison. Denn was sich im Programmheft zunächst als ein Sammelsurium von Werken bekannter wie unbekannter Tonsetzer las, entpuppte sich durch die ins deutsche übersetzten Anmerkungen des Organisten als durchaus sinnvolle Zusammenstellung.
Johann Sebastian Bach, wer sonst, sei auch ihm Ausgangs- und Angelpunkt aller seiner künstlerischen Bemühungen, so Newsholme. Ein Jahrhundert später wurde dieser durch Felix Mendelssohn-Bartholdy wiederentdeckt, der wiederum erheblichen Einfluss auf die zweite englische Orgelrenaissance gehabt habe, zu der Charles H. Hastings Parry (1848-1918) und Herbert Howells (1892-1983) gehörten.
Nicht unbedingt Sir Edward Elgar (1857-1934), von dem eingangs das Allegro maestoso aus der G-Dur-Sonate op. 28 ertönt. Es verlangt nach dem vollen Orgelwerk, um seine imperiale Geste gebührend vorführen zu können. Doch irgendwie klingt“s trivial, nach Pomp an Circumstance. Auffällig der wiederkehrende Kontrast von laut und leise, erhaben und filigran, banal und (mitunter) anspruchsvoll. Newsholme wählt sich dazu das französisch disponierte dritte Manual mit seinem Schwellwerk und starken Tremulanten. Schön romantisch und ätherisch verschwommen, seelenerbaulich und etwas langatmig, sozusagen softplaying, erklingen auch Bachs Choralbearbeitungen über „Allein Gott in der Höh“ BWV 662/663. Auch wenn sich die zweite Bearbeitung etwas kapriziöser, verzierungsreicher und lebendiger gibt, werden beide Stücke ähnlich registriert. Nicht sonderlich originell, was dem musikalischem Leiter des auf barocke Chor- und Orchestermusik spezialisierten Ensembles „contrapunctus XIV“, da eingefallen ist.
Und auch zu Mendelssohn Bartholdys c-Moll-Sonate op. 65/2 findet er keinen überzeugenden Zugang. Prinzipalstimmenklar hebt das Grave an, dann wird das Adagio einer Zungenstimmenversammlung nebst seelenbibberndem Tremulanten überantwortet. Majestätisch und direkt ertönt das Allegro, kompakt die Fuge. Laut ist“s, erhebend nicht. Dafür werden die Beiträge aus der Heimat entschädigen, denkt sich das hoffnungsfrohe Gemüt. Doch David Newsholme enttäuscht leider auch hier. Die beiden Chorale-Preludes über „Croft“s 136th“ und „Martyrdom“, liedhafte und bedächtige Textausdeutungen, sind – bis auf einen lang ausgehaltenen Orgelpunkt im Pedal – wenig originell registriert und klingen genauso langweilig wie manche Elgar-Passage oder die Sicht auf Bach. Fantasieanregende Stimmen auch für zwei Piecen von Herbert Howells zu finden, ist des Organisten Sache nicht.
„Master Tallis“s Testament“ aus „Six Pieces for Organ“ gibt sich elegisch und wohltemperiert, gelegentlich kraftvoll anschwellend, dann wieder ins Softige zurückfallend. Mit mehr Biss erklingt der Satz „Vivo, energico ed agitato“ aus der D-Dur-Sonate, der zwischen dissonanzengeschichteten Blöcken und gefühliger Ermattung pendelt. Zum Schluss vollzieht sich per vollen Orgelwerks der Abflug in die Erhabenheit. Doch die kann vorangegangene Ermüdungserscheinungen nicht vergessen machen.
Peter Buske
Peter Buske
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