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Kultur: Solo Kühlschrank

Wie der Düsseldorfer Künstler Stefan Demary im Brandenburgischen Kunstverein Fragen aufwirft

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Wie der Düsseldorfer Künstler Stefan Demary im Brandenburgischen Kunstverein Fragen aufwirft Von Almut Andreae Manch einer wird sich bei der Ausstellungseröffnung im Brandenburgischen Kunstverein an „Des Kaisers neue Kleider“ erinnert gefühlt haben, denn: einmal in den Ausstellungsraum eingetreten, stellt sich umgehend die ernüchternde Gewissheit ein: Aber da ist ja gar nichts drin! Damit ist dem ausstellenden Künstler Stefan Demary die Überraschung gleich zweifach gelungen, wird doch der kunstbeflissene Besucher zunächst durch das ungewöhnliche Entrée der Exposition in Erstaunen versetzt: Vor einer weißen Ausstellungswand, die den Blick in den Raum versperrt, wird der Blick von einem Teller mit einigen Münzen angezogen, vor dem ein handgeschriebener Zettel mit der Aufschrift DANKE zum – unvermeidlichen? – Obolus einlädt. Diese angesichts der leeren Ausstellungsfläche doppelt provokante Geste lässt den immer noch kunstsuchenden Blick weiter in das Untergeschoss des Kunstvereins schweifen. Mitten im Raum steht ein Kühlschrank, der in drei Richtungen mit unterschiedlich hoch in die Wand eingelassenen Steckdosen verkabelt ist. Dieses Kühlschrank-Objekt verdient mehr als einen schnellen Blick. Durch die drei mit der gewohnten Funktionalität des Gerätes kokettierenden Kabel wird der Alltagsbezug des höchst profanen Utensils gleichzeitig gebrochen und überhöht. Der dergestalt verfremdete Kühlschrank setzt – vorausgesetzt, man ist dafür offen – vielerlei Assoziationen frei. „Aus mehreren Kabeln elektrisch gespeist, ist er im Raum aufgespannt wie ein glamouröses Objekt“, beschreibt der Vereinsvorsitzende Gerrit Gohlke seine Sicht auf die Arbeit. Das an drei Strippen angebundene Kühlschrank-Objekt entfaltet eine Aura, durch die es zur Skulptur geriert. Die Kühlschrank-Idee Demarys war im Grunde schon lange da. Bereits vor Jahren geboren, hat der in Düsseldorf lebende Künstler sie jedoch erst jetzt, in der Potsdamer Ausstellung, erstmalig in die Tat umgesetzt. Der immer noch original eingeschweißte Kühlschrank, der für die Realisierung seither in Bereitschaft stand, hat seinen Düsseldorfer Standort dennoch nicht verlassen. Als Stefan Demary im Vorfeld der Ausstellung die Räumlichkeiten im Luisenforum in Augenschein nahm, entschied er spontan für eine Abweichung vom Ursprungskonzept. Der für die Arbeit zur Verfügung stehende Raum im Untergeschoss des Kunstvereins, der durch diverse Relikte vorausgegangener Ausstellungsaktivitäten kein neutraler mehr war, motivierte Demary, den vereinseigenen Kühlschrank zum Protagonisten seiner Installation zu machen. Charakteristisch für seine auch sonst übliche Vorgehensweise passte sich der Konzeptkünstler situativ dem ortsspezifischen Kontext an. So gründlich er seine Projekte gedanklich vorbereitet, so wichtig ist ihm bei der Präsentation, auf die vorgefundenen Gegebenheiten flexibel reagieren zu können. Die formalen Mittel, derer sich Demary bei der Umsetzung seiner Konzepte bedient, zielen dabei stets auf größtmögliche Reduktion. Dieser minimalistische Ansatz ist bei dem einstigen Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie typischerweise mit einem ironischen Kommentar aufgeladen und sowohl auf Präsentationsformen als auch auf die Erwartungshaltung des kunstkonsumierenden Publikums fokussiert. Besagter Münzteller am Eingang der Ausstellung, für dessen adäquate Präsentation Demary eine stundenlange Suche nach dem optimal passenden Stuhl in Potsdams Läden und Antiquariaten in Kauf genommen hat, reflektiert nicht nur die Konsumwelt der unmittelbaren Umgebung. Der Teller reflektiert auch die Frage, inwiefern und unter welchen Umständen Kunst als Konsumartikel funktionieren kann. Ob man zur Kunst verführen kann und sollte, ist eine weitere – moralische – Frage, die Stefan Demary mit seiner Einladungskarte an das Publikum weitergibt. Als Köder oder Publikumsmagnet für die Eröffnung hat das gewählte Kartenmotiv – ein sich lasziv räkelndes Pin-up Girl – zumindest gewirkt. So mag für den, der die Vernissage-Veranstaltung am Samstagabend bereits bald wieder verließ, die ein oder andere Erwartung an den Inhalt der Ausstellung enttäuscht worden sein. Ähnliches lässt sich von der Begrüßung durch Gerrit Gohlke sagen, die entgegen der Ankündigung letztlich entfiel. Fazit des Ganzen: Fragen, die sich aus Demarys Kunst ergeben, lenkt der Künstler, wie es in der ausliegenden Ausstellungsinformation so schön heißt, auf die Kunst, die Kunstanbieter und ihr Publikum zurück. Ausstellung Stefan Demary geöffnet bis zum 17. September, Dienstag bis Sonntag, von 12 bis 18 Uhr (Luisenforum, Brandenburger Str. 5).

Almut Andreae

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