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Kultur: Sommer adé

Melancholische Finissage auf Freundschaftsinsel

Stand:

Melancholische Finissage auf Freundschaftsinsel Noch leuchteten die Konterfeis erblühter bunter Blumenpracht aus Karl Foersters Garten, wie seine Tochter Marianne Foerster sie gesehen und abgelichtet hat, noch einmal ließen sich die vielfältigen Arbeiten irdener Art von Dorothea Nerlich beschauen, keramische Torsi und freie Formen, ein letztes Mal hörte man dazu die teils abenteuerlichen Klanginstallationen von Michael Schenk aus dem Off. Nach fast vierwöchiger Öffnungszeit im freundschaftsinsularen Pavillon beendete am Freitag eine ausgesprochen elegische Finissage die Doppel-Exposition zweier befreundeter Nachbarinnen, zu der fast sechzig Besucher kamen. Trüb war der Tag, später nieselte gar noch Regen herab, ein früher Gruß des goldenfarbigen Herbstes, wo doch die späten Blüten von Dahlie und Aster besonders intensiv leuchten, Zeit des Erinnerns, Zeit für ein letztes melancholierendes Adé mit Blick auf jene Tage, wo die Sonne nicht so kräftig scheint. Stand die Finissage Ehrung der beiden Künstlerinnen nicht absichtsvoll unter dem Titel „Ich aber ziehe mich vom Amt zurück in meinen Garten“? Es schien, als ob die 75-minütige Veranstaltung in Text und Klang den ganzen Sommer, alle Wärme und Liebe dieses Venus-Jahres, nochmals in Eins zu fassen versuchte, als gälte es, sich mit solchem Geist und Sinn für den Winter zu bevorraten, wenn im Garten nicht gelesen wird. Neben dem Komponisten am E-Piano, der schon zur Vernissage manch hübsche messa di voce-Effekte hervorzuzaubern verstand, beteiligten sich diesmal der Percussionist Bringfried Löffler und Henriette Rieffer (Traversflöte) am musikalischen Teil dieses Abends, Klangbilder meist flächiger Art von ganz unterschiedlichem Rhythmus, Färbung und Volumen. Etwas zu opulent vielleicht auch die von Klaus Büstrin sorgsam ausgewählten und mit ganz unterschiedlichem Kolorit vorgetragenen Texte, natürlich zum ewigen Thema Garten. Sie rankten sich durch alle Zeit und Gegend dieser Alten Welt. Beginnend mit dem Paradies und Sündenfall nach 1. Mose 2., das Persische streifend, dann auf Japans Gärten schauend, welche ein Fremder ohne „Studium“ niemals begreife - am wenigsten die kunstvoll geformte Steinwelt der Natur - ließ der Vorleser ganz vieler Stimmen nicht den Bericht des Odyss“ im Lande der Phäaken aus, nicht Brechts unprofessionelle Gärtner-Stücke, nicht André Heller und die späte August-Melancholie von Marie-Luise Kaschnitz, welche trotz „kranker Hoflinden“ und „sterbender Ulmen“ vollen Herzens schwärmt und träumt - „doch ein Gedicht wird daraus nicht, heute nicht mehr“. Punktum! Auch Hermann Hesse beklagte elegisch den Herbst seines Gartens. Von Karl Foerster hörte man den eher umständlichen Rat, wie ein Herbstbeet zu pflanzen sei, damit es nicht vor der Zeit „vom Verflattern der Blütenwirkungen“ ergriffen werde. Nach einer Reminiszenz auf den kaum bekannten Barthold Heinrich Brockes (Textdichter von Händes Neun Deutschen Arien) und einer längeren Passage aus Eichendorffs romantischer Erzählung „Das Marmorbild“ gab es noch einmal Musik, zwischen Piano und Fortissimo gesetzt, ein schönes Flötenstück solo im Stile Japans oder Chinas; noch mehr an Text und Note. Alles trauerte, mehr als Freude war. Warum nur? Des wahren Gärtners Amt endet erst am Grabe, und selbst der Tod hat der Gesichter sanfte. Bis dahin folgt die Zeit auf Zeiten, nach Winters Schlaf ist des Frühlings Erwachen, der Ämter viele, als zur Freude. Gerold Paul

Gerold Paul

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