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Kultur: Sonderklasse

Jazzfrühling im Waschhaus mit dem Jens Winther European Quartet und Till Brönner

Stand:

Von Christina Siegfried

Der Sound hat Weltklasse. Der Drive und die innere Spannung nehmen einfach nur mit. Der dänische Star-Trompeter Jens Winther, der seit über zwanzig Jahren als herausragender „Leuchtturm“ der europäischen Jazzlandschaft gilt, bewies wieder einmal, dass dies nicht nur leere Worte einer gutgeölten PR-Maschinerie sind, und gestaltete mit seinem Jens Winther European Quartet am Sonntag im Waschhaus ein frühes Highlight des diesjährigen „Berlin-Brandenburgischen Jazzfrühlings“, der wieder von der Jazzwerkstatt organisiert wurde. Der Publikumszuspruch war groß, der Saal bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt. Die Potsdamer Jazzgemeinde funktioniert.

Das Jens Winther European Quartet trat bei diesem Konzert erstmalig mit seiner vollkommen erneuerten Besetzung auf: Gemeinsam mit den zwei jungen und außergewöhnlich kraftvollen Musikern Carl Winther (dem liebevoll vorgestellten Sohn des Bandgründers) am Piano und Daniel Franck an einem exorbitant guten Bass, saß Dejan Terzic an den Drums, der schon einmal als „Derwisch am Schlagzeug“ bezeichnet wurde und seit acht Jahren dem Jens Winther European Quartet angehört. Seine kraftvolle, dabei intensiv treibende Rhythmuskraft korrespondierte in idealer Weise mit der Musikalität und vor allem den herausragenden improvisatorischen Fähigkeiten der beiden jungen Bandmitglieder, was dann besonders offensichtlich wurde und geradezu Hörgenuss verschaffte, wenn die Trompeten einmal schwiegen. Doch die standen selbstverständlich im Mittelpunkt des Abends.

Jens Winther verfügt über eine Vielfalt in der Tongebung und eine stupende Technik, die ihn mühelos jede Facette seiner musikalischen Bilder ausleuchten lässt. Eine Musik ganz im Sinne seines Vorbilds Miles Davis, die letztlich die ganze Palette musikalischer Stimmungen und menschlicher Gefühle in einem überaus schillernden Gruppensound aufscheinen lässt. Freilich gelang das am überzeugendsten in jenen Momenten, die glücklicherweise reich gesät waren, in denen Winther mehr er selbst als sein Vorbild sein wollte.

Der dänische Jazz-Trompeter lädt regelmäßig befreundete Spitzenmusiker zu seinen Projekten ein, und der Abend in der Schiffbauergasse profitierte in besonderer Weise davon, dass er sich diesmal entschieden hatte, den deutschen Star-Trompeter Till Brönner als Special-Guest auf die Bühne zu bitten. Dieser ist Jens Winther bereits über viele Jahre musikalisch verbunden und fügte sich dermaßen überzeugend-unprätentiös in den Sound des Quartetts ein, dass es eine Freude war, dem zuzuhören.

Welche tiefen Wurzeln werden da erahnbar, wenn Brönner seine Trompete ansetzt – satt, rund, erdig, vollkommen und dennoch losgelöst von aller Schwere. Ein Musiker der Sonderklasse, wie er da uneitel auf der Bühne steht und sich dem Drive des Sets hingibt, aber auch wie er bescheiden am Bühnenrand dem Musizieren der anderen zuhört, mitgeht und sich wieder einfügt, ohne dass vorher etwas gefehlt hätte, und dennoch jetzt alles noch vollkommener scheint.

Das gemeinsame Improvisieren mit Jens Winther ließ das Publikum kaum auf den Stühlen sitzen bleiben. Was da in Kaskaden sich klanglich von der Bühne ergoss, war kaum zu fassen, steigerte sich zu einem fulminanten Höhepunkt. Dennoch genossen die beide Trompeter, die im direkten Vergleich eine so individuell unterschiedliche wie sich wunderbar ergänzende Spielweise haben, auch die ruhigen, ja lyrischen Passagen.

Der Abend war lang, der Abend war kurz. So sollte es eigentlich auch sein.

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