Kultur: Sonnenstürme und Leidenschaften Hofkonzerte: Huldigung der „Nordlichter“
Mit der fast unausrottbaren Vorstellung, Nordlichter seien ein etwas zurückgebliebener Menschenschlag in Deutschlands nördlichen Regionen, haben diese „Nordlichter“ der Potsdamer Hofkonzerte nichts zu tun. Vielleicht hätte man die Züricher Produktion besser „Polarlichter“ nennen sollen, um die Besucher dieses Adventskonzerts im Schlosstheater gedanklich in die richtige Richtung zu lenken.
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Mit der fast unausrottbaren Vorstellung, Nordlichter seien ein etwas zurückgebliebener Menschenschlag in Deutschlands nördlichen Regionen, haben diese „Nordlichter“ der Potsdamer Hofkonzerte nichts zu tun. Vielleicht hätte man die Züricher Produktion besser „Polarlichter“ nennen sollen, um die Besucher dieses Adventskonzerts im Schlosstheater gedanklich in die richtige Richtung zu lenken. Denn sie bekommen eine Fülle von stimmungsträchtigen Fotos zu sehen, die das Naturphänomen festgehalten haben. Wie eine Dia -Show laufen sie ab: irgendwie zufällig. Wie bunte Bögen, Bänder, Vorhänge, Wolken, Strahlen, Kronen oder Gardinen wirken diese beeindruckenden Himmelserscheinungen.
Nicht weniger anregend, aber nicht immer auch ein-„leuchtend“ und faszinierend genug die weiteren Zutaten dieser multivisuellen Produktion, die sich als eine „MusikErzählung“ des Autorengespanns Joanna Choi (Regie, Choreografie, Bühnenbild) und Niclas Oettermann (Erzähler, Sänger) entpuppt. Nüchtern präsentiert sich die karge Szenerie mit seitwärts stehendem Flügel, entlaubtem Rosenbogen, im Proszenium aufgestelltem Lesetisch nebst Sitzgelegenheit. Die Funktionen dieser Requisiten sind sofort durchschaubar. Die „Handlung“ der Liebesgeschichte auch, denn sie ist denkbar einfach gestrickt.
Ein Dichter im historisierenden, weißgraugefleckten Westen-Gehrock-Kostüm erinnert sich seiner Liebe. Passend dazu spielt Pianist Andres Joho Edvard Griegs poetische „Morgenstimmung“ aus dessen „Peer-Gynt“-Suite. Währenddessen liest und schreibt sich der Dichter seine Marie herbei, die in Gestalt von Ballerina Angela Reinhardt durch den Rosenbogen (sicherlich ein Synonym für den Eintritt in die Traumwelt) herbeitanzt und in einem anmutigen Solo auf Spitze von glücklichen Stunden kündet. Kaum ist sie verschwunden, erläutert der Poet von seiner Seelenlage. Die jubiliert zunächst von der Liebe Zaubermacht, wird aber zunehmend von Kummer, Schmerz und Groll bis hin zu Abschiedsschmerz abgelöst. Am Ende steht die Sehnsucht nach dem Tod. Schuberts „Winterreise“ lässt grüßen, diesmal durch die skandinavische Brille gesehen.
Die „Gläser“ dazu liefern Gedichtvertonungen von skandinavischen Komponisten wie Edvard Grieg, Hugo Alfvén, Jean Sibelius oder Johann August Söderman. Das Konzert entwickelt sich zunehmend zu einem szenisch arrangierten, mit Ballettbeiträgen garnierten Liederabend, dem jedoch der facettenreiche skandinavische „Geist“ fehlt. Viel ist zusammengetragen, aber kaum „durchkomponiert“ worden. Mit seiner für den heldentenoralen Operngesang bestens geschulten Stimme trumpft Niclas Oettermann meistens zu kraftvoll auf, nicht immer zum Vorteil der Liedpoesie. Für die fehlt es ihm an Biegsamkeit, gestalterischem Feinsinn. Auf Dauer wirkt das ziemlich eintönig. Pianist Andres Joho passt sich den Intentionen des Sängers mit Hingabe an. Dieser „klingende Advent“ ist mit dem Projekt der Stiftung Großes Waisenhaus „Musik in Potsdam hilft Potsdamer Kindern“ und ihren musikalischen Ambitionen gekoppelt: Die anschließende Spendensammlung erbrachte 218 Euro.Peter Buske
Peter Buske
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