Kultur: Sphärisch
Voice in Concert mit Efrat Alony im Nikolaisaal
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Kabel ziehen sich wie Beatmungsschläuche von den flimmernden Laptops zu den Instrumenten. Ein mit modernster Technik aufgepumpter Steinway-Flügel wartet auf menschliche Signale. Wir befinden uns auf der Raumstation „Efrat Alony“. Der Name stammt jedoch nicht etwa aus dem Klingonischen, sondern hat seinen Ursprung auf der Erde. Die israelische Sängerin Efrat Alony hat auf genussvolle Weise im Nikolaisaal angedockt. Im Gepäck hat sie ihr neuestes Album „Dismantling Dreams“ und zwei Musiker, die mit ihren Kopfhörern und Laptops wahrhaft wie zwei Piloten auf dem Weg in das unendliche Weltall wirken.
Nur dass das Universum von Marc Reinke am Piano und Christian Thomé am Schlagzeug nicht aus Galaxien und Sternen, sondern aus Tönen und Sounds besteht. Sphärisch, fantasievoll und virtuos – so könnte man die Musik von Alony und ihrer Band bezeichnen. Alle drei sind studierte Jazzmusiker und so liegen dort auch ihre musikalischen Wurzeln. Zusätzlich haben sie den Songs aber eine gehörige Portion Elektronika eingeflösst.
Die warme, dunkle Alt-Stimme der israelischen Sängerin geleitet den Zuhörer in geheimnisvolle Klangwelten. Musikalische Teile von unterschiedlichster Atmosphäre werden dabei zu einem Song verdichtet. Passend dazu loopt Alony ihre Stimme, das heißt sie nimmt ihren Gesang mit einem Effektgerät zu einer Art Endlosschleife auf, um dann mit einem zweiten Mikrofon neue Stimmen hinzuzufügen. So entstehen faszinierende Gesangs-Collagen, die sich zu kleinen Ohrfilmen entwickeln. Die beiden Soundakrobaten am Schlagzeug und Piano tun ihr Übriges, um die sphärischen Schwingungen zu verstärken. Besonders Christian Thomé entpuppt sich als Daniel Düsentrieb des Schlagzeugspiels. Sein Instrument scheint ein unerschöpfliches Reservoir an Sounds und musikalischen Raffinessen zu bieten. So verwandelt er sein Set bei Bedarf zu einem zweiten Melodieinstrument neben dem Piano. Bei all dem introvertierten Tüfteln vergessen Efrat Alony und ihre Mannen jedoch manchmal, dass Musik der Austausch von Energien ist. Mit geschlossenen Augen und halb geöffneten Mündern geben sie sich ihrer stillen Ekstase hin und verlieren an einigen Stellen den Kontakt zu Erde.
Wer mit Efrat Alony reisen will, der muss ihr mit aller Kraft und Aufmerksamkeit folgen wollen, aber an die Hand nehmen tut sie an diesem Abend niemanden. Für alle die sich darauf einlassen, ist das Konzert von Alony ein lohnenswertes Erlebnis. Philipp Kühl
Nächstes Voice in Concert am 8. Mai, 20. 30 Uhr mit Karin Bachner Quartet.
Philipp Kühl D D
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