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Kultur: Spiel unter Freunden

Bruno Canino mit der Kammerakademie im Nikolaisaal

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Bruno Canino mit der Kammerakademie im Nikolaisaal Vorsicht vor den Worten! Gerade die Musik spricht eine Sprache, die mit Worten nur unzulänglich wiedergegeben werden kann. Hier kann mit Worten vieles verdeckt und verzerrt, entfremdet und entstellt werden. Und gerade hier kann auf exemplarische Weise genaues, vorurteilsfreies Zuhören geübt werden. Auf Überraschungen sollte man dabei stets gefasst sein. Das c-moll -Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart etwa gilt als „tragisches Stück par excellence“ (A. Brendel), in dem „Trauer, Pathos und Leidenschaft“ ausgedrückt werden. Doch davon war bei dem Konzert mit dem Pianisten Bruno Canino und der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal wenig zu hören. Eine tragische Aura wird auch der c-moll-Sinfonie op 52 von Joseph Haydn zugeschrieben, mit der die Kammerakademie das Konzert begann. Vom ersten Satz an entluden sich die „expressiven Energien des Sturm und Drang“ in perfekt ausbalancierter Rhethorik der musikalischen Mittel. Mitten im brausenden Streicherwirbel ertönten kräftige Bläserfanfaren wie Warnsignale, zarte Piano-Stellen lagen wie unberührte Inseln dazwischen. Poetisch fein gesponnen und von kräftigen Bassaufschwüngen dunkel unterlegt, zeigte sich das Andante. Nach einem knappen Menuett folgte ein Presto mit spielerisch hüpfendem Rhythmus, immer unterbrochen von schrägen Bläserriffs, wie Schicksalsrufen gleich. Das perfekte Spiel der musikalischen Affekte malte die Kammerakademie mit ernsthafter, effektvoller Rhetorik breitflächig aus. Als eines der symbolträchtigsten Musikwerke des 20. Jahrhunderts kann die „Ode an Napoleon“ von Arnold Schönberg bezeichnet werden. In diesem Werk für Stimme, Piano und Streicher aus dem Jahr 1942 verleiht der Erfinder der Zwölfton-Musik dem Hass auf Diktatoren, Krieg und Unterdrückung kongenial Ausdruck. Das vielschichtige Werk vermittelt mehrdeutig zwischen historischer und aktueller Zeitebene und verwendet die Musik subjektiv unverblümt und offen ideologisch, um den Worten kraftvoll-emotionalen Ausdruck zu verleihen. Sprache und Musik ergänzen sich hier ähnlich wie in einem Turba-Chor aus einer Passion von Johann Sebastian Bach, allerdings „spricht“ die Musik hier unmissverständlich in den Klängen des 20. Jahrhunderts. Jede Strophe der sarkastischen, verächtlichen „Ode an Napoleon“ von Lord Byron – eigentlich eine Parodie der antiken Lobesode und eine Schmähung von Napoleon nach seiner Verbannung – , hat Arnold Schönberg mit individuell differenzierten, gebührend grellen Klängen aus dem geballten Arsenal der atonalen Musik unterlegt. Mächtige Sturzwellen bitterbösen Hasses ergießt die Musik über das damalige Ziel des Hasses, Hitler. Der fantastische Bariton Richard Salter skandierte und dramatisierte mit durchschlagender Stentorstimme und erwies sich als quicklebendiges Medium für die Botschaft. Nicht zuletzt Pianist Bruno Canino und die äußerst lebendige Interpretation der Kammerakademie versetzten das Werk eindrucksvoll ins Hier und Jetzt, das leider noch immer genügend aktuelle Anlässe für ein Werk wie dieses bietet. Einen locker-leichten und versöhnlichen Ausklang bot das Klavierkonzert c-moll von Wolfgang Amadeus Mozart. Der italienische Pianist und Grand Seigneur Bruno Canino interpretierte das Werk fern jeder verklärenden Romatik, nüchtern, glasklar und klangvoll. Von idealisierender Tragik, „titanischem Trotz“ war da nichts spürbar - was übrigens schon Wolfgang Hildesheimer in seiner herausragenden Mozart-Monographie zu KV 491 erstaunt vermerkt hatte. Sprudelnd wogende Tonketten, festlicher Klang, ein Spiel unter Freunden - so erschien das Konzert, bei dem die ersten Geigen und die Bläser rund um das Piano platziert waren. In geradezu kindlich-schlichtem Tonfall eröffnete Canino den zweiten Satz, der vom Orchester mit anmutiger Leichtigkeit aufgenommen wurde. Gerade die kammerakademischen Bläser bewiesen erneut ihre hervorragende Präsenz. Auch der letzte Satz war geprägt von perfektem Zusammenspiel aller gemeinsam ohne Starkult. Dass er über hervorragende pianistische Technik verfügt, stellte Bruno Canino nicht aus. Virtuose Brillianz zeigte er erst zuletzt in der hinreißenden Zugabe, dem „Türkischen Marsch“ aus Mozarts Sonate KV 331, zeigte. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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