zum Hauptinhalt

Kultur: Spielerei mit Peter Pan und Ludo Die 3. Kinder- und Jugendtanztage in der fabrik

Am Sonntag draußen vor dem Spiegelzelt, direkt am Havelufer: Die Kindertanztage beginnen gerade. Die Sonne brennt.

Stand:

Am Sonntag draußen vor dem Spiegelzelt, direkt am Havelufer: Die Kindertanztage beginnen gerade. Die Sonne brennt. Der alte Mann mit dem Bart könnte ein Hausmeister sein, der die Reste der Party fort räumt, die am Abend vorher im Spiegelzelt gefeiert wurde. Aber seltsam, der Mann spritzt den roten Teppich mit einem Wasserschlauch ab, der Sand auf dem Platz ist auch schon ganz nass. „Seifenblasen brauchen feuchten Boden“, sagt er. Es nennt sich Piotr Pan, Peter Pan, der gleich darauf in sonnengelbem Seidenhemd der Seifenblasenkünstler sein wird, der die dreißig Kinder um ihn herum unterhält. Die Eltern sitzen im Schatten unter den Sonnenschirmen. Aus dem Lautsprecher klingt Tschaikowskis Ouvertüre „Romeo und Julia“. So heißt auch das Stück des „einfachsten Theaters der Welt“. Piotr Pan erzählt die tragische Geschichte in der kindgerechten Minimalfassung. Zwei Seifenblasen, die er durch das Loch zwischen Daumen und Zeigefinger bläst, sind das Liebespaar. Kurz ruhen sie auf seiner Hand, verschmelzen zu einer und – plopp – schon ist sie geplatzt. Lektion: Liebe ist vergänglich wie eine Seifenblase.

Piotr Pan ist von einer Horde Kinder umringt, die von der Schönheit seiner Luftgeschöpfe magisch angezogen werden. Die Blasen zerplatzen sehr schnell, nur eine schafft den Weg über die Köpfe hinweg in Richtung See. Irgendetwas scheint mit der Spülmittelmischung in seinem Eimer nicht zu stimmen. Spekulation am Rande unter Vätern: „Man muss eine kleine Menge Tapetenkleister hinzufügen.“ Piotr Pan lässt sich aber nichts anmerken. Der Seifenlaugenartist greift zu einem geknoteten Seil, das in Lauge getaucht war. Der leichte Wind vom See weht durch einen Spalt und produziert Blasen, die so groß sind wie ganze Kälber. Die Kinder kreischen vor Glück, die Eltern können über die Vergänglichkeit von Schönheit nachdenken.

Dann nimmt Piotr Pan eine Art Kunststoffsieb und ganze Knäuel von Seifenlaugenkugeln entstehen. Die Kinder hüpfen und recken ihre spitzen Finger. Kinder lieben Seifenblasen! Eines ruft: „Ich will in eine Blase hinein!“ Doch Piotr Pan verbeugt sich, die letzte Seifenblase in der Größe eines Luftballons zerplatzt an seinem weißen Haar.

Weiter geht es in einem der Studios. Dort erwartet Ludovic Fourest zwanzig Kinder zwischen einem und neun Jahren mit ihren Eltern auf dem schönen Holzboden. „Ludo“ spricht zu den älteren Mädchen: „Es braucht euch nicht peinlich zu sein.“ Er hat Erfahrung mit denen, die sich besonders zieren, vor fremden Augen zu tanzen. Auch einige der Erwachsenen fühlen sich gleich wohler. Sie sollen zu Sambaklängen durch den Raum laufen und sich möglichst gleichmäßig verteilen, sobald Ludo die Musik ausmacht. Ganz behutsam bringt Ludo die Kinder dazu, sich von ihren Eltern zu lösen. Genauso vorsichtig beginnen die Erwachsenen, mit ihrem Körper in einfachen Bewegungen den Raum zu vermessen. Zuerst krabbeln die Kinder durch die geöffneten Beine der Großen. Und dann gibt Ludo vor, es umgekehrt zu machen. Was für ein Spaß – für die Kinder. „Du passt da ja gar nicht durch“, ruft ein kleiner Junge. Stimmt, Papi müsste wirklich öfter tanzen, bis das klappt.

Die Eltern tauen bald auf. Alle hüpfen wie Frösche durch den Saal, rudern mit den Armen herum oder springen auf, wenn Ludo bis neun zählt. Später sitzt man im Kreis. „Bewegt Euch, ohne Arme und Beine zur Hilfe zu nehmen!“, fordert Ludo. Schon wälzen sich alle gemeinsam auf dem Parkett.

Sonne, Seifenblasen herstellen und zu Musik durch einen Raum springen. Die Kinder-und Jugendtanztage der fabrik zeigen den Großen, dass das Faszinierendste häufig im ganz Einfachen zu finden ist. Sind nicht alle Kind geblieben? Zumindest war jeder mal eins.

Matthias Hassenpflug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })