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Kultur: Spielerische Verwandlungen

Neues Kammerorchester Potsdam begegnet Mozart und trifft auf Mendelssohn

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Neues Kammerorchester Potsdam begegnet Mozart und trifft auf Mendelssohn „Begegnung mit Mozart“ lautet das Motto der fünften Saison des Neuen Kammerorchesters Potsdam. Wer hätte da gedacht, dass im Zentrum des ersten Konzerts das Violinkonzert E-moll von Felix Mendelssohn Bartholdy steht. Doch wer nach Verbindungen sucht, wird fündig. Beide Musiker waren „Wunderkinder“, die schon in jungen Jahren als Solisten und Komponisten große Erfolge feierten. Beide starben jung, mit 35 respektive 38 Jahren. Doch während Mozart immer wieder schwer um seinen Lebensunterhalt kämpfen musste, hatte Mendelssohn als Direktor der Gewandhaus-Konzerte in Leipzig einen der höchsten Posten im deutschen Musikleben inne, wurde mit einer Ehrendoktorwürde in Philosophie ausgezeichnet und gründete die erste Musikhochschule Deutschlands. Einer angemessenen Würdigung von Mendelssohns Kompositionen standen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die absurdesten Vorbehalte entgegen, dabei braucht man sie wohl nur einmal anzuhören, um von ihrer klaren Schönheit begeistert zu sein. Es fällt nicht schwer, das Violinkonzert E-moll zu lieben, denn es spricht unmittelbar an, trifft direkt ins Herz hinein. Mit Michael Erxleben, erster Konzertmeister des Berliner Symphonie-Orchesters, stand ein erfahrener Geiger zur Verfügung, der bekannteren Namen der Zunft mühelos das Wasser reichen konnte. Das Neue Kammerorchester unter der Leitung von Ud Joffe geht forsch, mit flottem Tempo in den ersten Satz hinein, scheut nicht vor starkem Forte zurück, gibt sich festlich hochgestimmt und kehrt die dunkleren Seiten nicht hervor. In den funkelnden Passagenläufen der Violine strahlt das C-Dur-Andante hell über den leichten Wellen des Orchesters. Vollkommen gelöster, spielerischer Übermut erklingt im dritten Satz in E-Dur, wirkt wie Kreiseln und Glitzern im hellen Sonnenlicht. Michael Erxleben spielt butterweich, geschmeidig, vibratoreich, setzt sensibel Akzente und Phrasierungen voneinander ab. In der Kadenz und beim tänzerischen Finale versprüht er musikalische Präsenz im Übermaß. Auch Mozarts Musik wurde nicht immer nur geliebt. Selbst Dirigent Ud Joffe bekannte gewisse Widerstände, die erst durch die C-moll-Klavier-Fantasie und natürlich durch die beiden Klavierkonzerte in C- und D-Moll allmählich aufgeweicht wurden. Er nähert sich Mozart vom Ende her und beginnt – nach der ernsten Miniouvertüre des „Idomeneo“ – mit der letzten Symphonie Nr. 41 in C-Dur. Die so genannte „Jupiter-Symphonie“ zählt zu Mozarts am meisten analysierten Werken, gilt sie doch als komplizierte Synthese aus Fuge und Sonate, Barock und Klassik. Als Spiel der permanenten Verwandlung erscheint dies recht wuchtige Werk dann auch in der Interpretation des Neuen Kammerorchesters Potsdam. Der erste Satz mutet wie eine Ouvertüre an mit seinen Pausen, plötzlichen Piano- und Forte-Stellen. Noch ist nicht ganz klar, wohin der Aufruhr der musikalischen Elemente gehen soll. Das Andante kantabile wird zu einer tastenden Suche, auf schüchtern vorgebrachte Fragen gibt es ziemlich brüske Antworten, nachdrücklich unterbrochen von der schmerzlichen harmonischen Wendung in Mollklänge. Nach dem vergleichsweise weniger inspirierten Menuetto gibt es ein fein differenziertes und charaktervolles Finale. Aus dem sehr dichten Gewebe der Stimmen und Themen holt das Orchester ein Höchstmaß an Transparenz hervor, bevor es in einem Feuerwerk der Klänge explodiert. Auch das ist Mozart: weder rokokohaft-zierlich, noch düster, sondern kunstvoll, komplex bis kantig. Da taucht am Horizont schon Beethoven auf. So gesehen, war dies eine Begegnung der anderen Art mit dem Salzburger Meister.

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