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Kultur: Spiellustlaunig

„Stunde der Musik“ mit Wiener Klassik

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Werden Eselhengst und Pferdestute miteinander gekreuzt, entsteht ein Maultier. Es ist unfruchtbar, aber sehr ausdauernd. Verbinden sich dagegen gelehrter und galanter Stil, entsteht daraus – verkürzt gesagt – die Wiener Klassik. Auch sie sehr ausdauernd. Setzt man Werke ihrer Protagonisten auf das Programm, bleiben die Hörer nicht aus. Wie beim der Nikolaisaal-„Stunde der Musik“, die der großen Nachfrage wegen aus dem Foyer in den Saal verlegt werden musste. Der Umzug hat sich gelohnt, auch akustisch. Mitglieder der Kammerakademie Potsdam unter Leitung von Sergio Azzolini (Fagott) nutzten die Gunst der Stunde und liefen unter ihrem Konzertmeister Peter Rainer zur Hochform auf.

Mit gelöstem Ensemblespiel, bei dem die einzelnen Stimmen ausgewogen miteinander wetteifern, begeistern sie schon bei Joseph Haydns Cassatio F-Dur, jener einst beliebten Form instrumentaler Freiluftmusik, die der höfischen wie bürgerlichen Unterhaltung diente. Geselligkeit, die einige Zuhörer wörtlich nehmen und mit einem in den Saal mitgenommenen Glas Wein bekräftigen. Unbeschwert und in staunenswerter klanglicher Homogenität spielt man auf. In inniger, warmgetönter Zärtlichkeit klingt die Violine (Peter Rainer). Hat der melodiöse Wettstreit mit der Oboe (Jan Böttcher) auf sie abgefärbt?! Das Fundament liefert das Fagott (Sergio Azzolini), das sich im Trio I des ersten Menuetts von kecker Tanzlust zeigt, später immer wieder witzige Kommentare abliefert. Kantabler Gesang erfüllt das Adagio, an dem die Bratsche (Christoph Starke) und der Kontrabass (Anne Hofmann) erheblichen Anteil haben. Wie zu Beginn verleihen die Hörner (Andreas Bohm und Christian Müller) auch dem Rondo-Finale einen Hauch von Jagderinnerungen. Gelungen, wie die Musiker das Stück zwischen Kammermusik und Konzert in der Schwebe halten.

Der leuchtende Flötenton von Bettina Lange bestimmt die Wiedergabe des D-Dur-Quartetts KV 285 von Mozart. Eine Luftsäule ohne Turbulenzen, Schärfen, Ecken und Kanten liegt über den Aktionen von Violine, Viola und Violoncello (Stéphanie Meyer), erzeugt von ebenmäßig flutendem Atem. Das „Gespräch“ tändelt unterhaltsam und geschmackvoll dahin. Moll-Eintrübungen sorgen für Momente des Innehaltens und Aufhorchens. Ausdrucksstark bläst Bettina Lange das Adagio, das nahtlos in das Rondeau mit seinem genüsslich ausgekosteten Witz übergeht. Jedem Wiener Klassiker den ihm eigenen Ausdrucksstil geben – das bestimmt auch die lustlaunige Aufführung von Beethovens Septett Es-Dur op. 20. Köstlich die Wechselgespräche zwischen Streichern und Bläsern, zu denen sich die keck kichernde Klarinette (Matthias Simm) gesellt. Gemeinsam verströmt man Innigkeit, gleitet mit butterweichem Ansatz in die Klangwolken, gibt sich mit wenig Vibrato einer lauschigen Sommernacht hin (Adagio cantabile), lässt sich von den witzigen Horn-Einwürfen animieren, parliert unentwegt und munter im Variationensatz. Draufgängerisch und akzentbetont endet alles in turbulenter Fröhlichkeit. Peter Buske

Peter Buske

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