zum Hauptinhalt

Kultur: Sprühend

Michal Dabrowski bei Bachtagen in Erlöserkirche

Stand:

Seit knapp einem Vierteljahrhundert ist er Organist an der Heilig-Kreuz-Kathedrale in Warschau, leitet dort die Konzertreihe „Musica sacra“. Seinen Bach dürfte er also gut kennen. Spätestens nach seinem kooperierten Auftritt beim Internationalen Orgelsommer/Bachtage Potsdam ist er nun auch uns nachhaltig bekannt: Michal Dabrowski. Was er den Kennern und Liebhabern an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche bot?

Natürlich Bach pur. Zwischen drei Großwerken lässt er zwei Triosonaten erklingen. Für Kontrast ist also reichlich gesorgt. Einleitend erklingt, als glanzvolle und strahlende Festmusik gespielt, Praeludium und Fuge Es-Dur BWV 552. Wobei die dreiteilige Anlage der beiden Teile als „Abbild der Heiligen Dreifaltigkeit“ zu verstehen sei, erläutert er zuvor seine Programmzusammenstellung. Bereits bei den ersten Takten ist man in den Bann einer Spielerpersönlichkeit gezogen, die ohne registrierende Mätzchen oder artikulatorische Effekte sich bis zur letzten Note (des Finalstücks) ganz auf den Inhalt konzentriert – atemberaubende Höhenflüge, die Geist und Seele gleichermaßen zu ergreifen vermögen.

Obwohl er die Prinzipalstimmen liebt, versteht er es, mit ihnen äußerst differenziert umzugehen. Er ist von einer inneren Lebendigkeit angetrieben, die keinerlei Äußerlichkeiten bedarf. Übrigens eine Eigenschaft, die vor allem bei den Orgelsommer-Künstlern aus osteuropäischen Ländern zu beobachten ist. Das zweite Thema (des Praeludiums) spielt er heiter, kammermusikalisch duftig und weich getönt – wie ein leicht hingeworfenes, von ansteckender Fröhlichkeit erfülltes Bonmot. Selbstbewusst, beschwingten Schritts schreitet die Fuge in ihrer rhythmischen Vielfalt vorüber.

Übt er noch oder ist er schon mittendrin in Toccata, Adagio und Fuge C-Dur BWV 564, die optisch im Zentrum seines Programms steht? Was da wie kurzatmig oder zusammensuchend wirkt, ist natürlich überraschender Beginn in eines der großartigsten Bachschen Orgelwerke. Mühelos bewältigt der polnische Organist die gewaltigen Pedalpassagen, ehe das „zusammengefundene“ Themenmaterial manualiter verwoben und in hellstimmiger, klarer, glitzernder und brillanter, kurzum: bachgerechter Registrierung ausgebreitet wird. Schwebend und singend ertönt das Adagio, beschwingt und durchsichtig in ihrer kontrapunktischen Struktur die Fuge. Ihr ist ein filigranes, pastellfarbenes Finale zugedacht.

Nach solchem fantasiebeflügelnden Spiel möchten sich die Hände spontan zum Beifall regen, was sie natürlich keinesfalls tun, sondern ungerührt auf die Triosonate I Es-Dur BWV 525 warten, der die (fünfte) in C-Dur BWV 529 bereits vorausging. Beide „Lehrstücke“, für Sohn Wilhelm Friedemann und andere Schüler des Leipziger Thomaskantors geschrieben, spielt Michal Dabrowski verzierungsreich, wie hingetupft und huschend. Dabei rahmen die vergnüglich anzuhörenden Ecksätze (mit der zweifüßigen Feldpfeife) jeweils einen zarten, zungenstimmenweichen Mittelsatz (Largo bzw. Adagio) gleich einem pastoralen Genrebild in Aquarellmanier. Zum Ende erklingt die c-Moll-Passacaglia BWV 582. Über trauriger Pedaltiefe singt eine melancholische Melodie ihr eindringlich Lied. Sie moduliert allmählich in hellere Gefilde, fängt an zu rauschen, gewinnt sich Fülle und Glanz, um schließlich mit Überredungskraft im vollen Orgelwerk zu landen. Nun dürfen sich die Hände regen, was sie ausgiebig tun, und einem Spieler huldigen, der uns einen des Lebens zugewandten Bach nahe gebracht hatte.Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })