Kultur: Sprung nach vorn
Barocksinnliches mit der Sinfonietta Potsdam im Aditorium maximum der Universität
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Barocksinnliches mit der Sinfonietta Potsdam im Aditorium maximum der Universität Raschen Tempos, energiegeladen und drängend eilen die ersten Takte von Händels „Wassermusik“-Ouverture vorüber. Allmählich werden sie langsamer, um schließlich fast auf der Stelle zu treten. Was ist los bei der Sinfonietta Potsdam, dem Orchester der Universität Potsdam, und ihrem Leiter Kristian Commichau? Keine Bange, die musizierenden Studiosi sind keinesfalls von der Schlafkrankheit befallen. Vielmehr ist''s ein origineller Beginn eines akademischen Konzerts im Audimax am Neuen Palais, das sich ausschließlich den Barockheroen Bach und Händel verschrieben hat. Mit diesem übermäßigen Ritardando will der Dirigent nur verdeutlichen, wie tempoverschleppend die Barockrezeption über die Jahrhunderte geworden war. Nun lässt er die Ouvertüren-Takte erneut, in durchweg romantisch-klangsatter Sicht, erklingen. Danach findet der Dirigierprofessor anschauliche Worte für Bemühungen, das Alte klanglich wieder wie Neu erscheinen lassen. Ergo: das Ganze von vorn, diesmal in Annäherung an historische Aufführungspraxis. Nun darf die komplette F-Dur-Suite aus der „Wassermusik“, gefolgt von der innigen in G-Dur und der glanzvollen in Dur, ihre Schönheiten dem aufmerksam lauschenden Auditorium ausbreiten. Gegenüber früheren Auftritten sind die Musicis klanglich kaum wieder zu erkennen. Sie befleißigen sich zügiger Tempi, halten sie – bis auf Sätze, in denen die Hörner nach langsamerer Tonproduktion verlangen – größtenteils auch durch. Sie artikulieren straff und akzentuiert, finden zu einem drängenden Gestus, der das Barocke in seiner ganzen Fülle zu einer spannenden Angelegenheit macht. Dank der genauen, informativen und verständlichen Werkeinführung kann neben dem Kenner auch der Liebhaber Anlage und Abfolgen der Suiten gut verfolgen. Orchester und Dirigent suchen jedem einzelnen der insgesamt 22 Sätze unverwechselbare Charaktere aufzuprägen. Beschwingt und lieblich kann sich eine Air aussingen, federnd und huschend eine Bourree vorübereilen, ein Rigaudon auftaktschwer einherstampfen. Dabei ist den Streichern das Vibrato gründlich ausgetrieben. Dennoch entlocken sie ihren Saiten sehr innige und warm getönte Klänge. Ihr nicht immer ganz perfektes Zusammenspiel strahlt Eleganz, Festlichkeit, sogar Erhabenheit aus. Elegisch klagt immer wieder die Oboe. Etwas eigenwillig, weil intonationsgetrübt, tönen die Hörner und Trompeten in der D-Dur-Suite, während die Querflöte der gelöst und geschmeidig sich wellenwiegend einschmeichelnden G-Dur-Suite durchweg klare und helle Klangfarben zumischt. Ohne dirigentische Anleitung funktioniert das Zusammenspiel zwischen Tutti und Concertino in Johann Sebastian Bachs 4. Brandenburgischen Konzert BWV 1049. Die überaus wohlklingenden Querflöten (Karin Günther und Ricarda Seeber) treten tonsatzgemäß immer wieder in den Hintergrund, um der Violine (Thomas Kretschmer) Platz zu machen. Letztere bezirzt durch viele virtuose Passagen. Dem lebendigen Spiel der Sinfonietta Potsdam und ihrem spiritus rector fällt viel Beifall zu.Peter Buske
Peter Buske
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