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Kultur: Spuren des Jahres

Malerei und keramische Plastiken von Maren Simon im Pavillon auf der Freundschaftsinsel

Malerei und keramische Plastiken von Maren Simon im Pavillon auf der Freundschaftsinsel Von Götz J. Pfeiffer Maren Simon ist Gärtnerin. Nicht nur, weil sie erst eine Gärtnerlehre absolvierte, um dann über das nachgeholte Abitur zum Kunststudium nach Leipzig zu gehen. Maren Simon ist auch eine Gärtnerin, weil sie im Rhythmus von Säen, Wachsen-Lassen und Ernten lebt, ganz bewusst den Wechsel der Jahreszeiten verfolgt. Wie es aussieht, wenn die gebürtige Potsdamerin mitPinsel und Malerkittel ein Feld bestellt, zeigt eine Ausstellung, die mit knapp 60 Objekten den Pavillon auf der Freundschaftsinsel bis an seine Grenzen ausfüllt. Unter dem Titel „Jahreszeiten“ sind die Bilder in Öl und Mischtechnik, auf Leinwand und Papier, sind auch die keramischen Plastiken aus verschiedenen Tonen mit eingearbeiteten Fundstücken zusammengestellt. Es wirkt wie eine Versicherung ihrer selbst und für ihr Publikum, dass Maren Simon zwei Selbstporträts an den Anfang ihrer Auswahl von Werken aus den Jahren 1996 bis 2004 gestellt hat. Als „Gärtnerin“ versinkt sie zwischen den Pflanzen eines herbstlichen Gartens. Als „Malerin“ hockt sie fast nackt in einer Fensternische vor karger Landschaft. Wie sie auf beiden Bildern melancholisch auf ihren Betrachter schaut, scheint sie sagen zu wollen, dasssie ohne Pflanzen und ohne Farben nicht leben könnte. Auffällig, dass in der doppelten Selbstinszenierung andere Menschen fehlen. Sie treten erst mit dem expressionistisch gestimmten „Portrait der Malerin Gabriele Schulz“ in Simons künstlerische Welt. In ihr scheint sich die gärtnerische Malerin als Seherin zu fühlen. Denn in der Reihe ihrer Selbstporträts steht die bemerkenswerte keramische Plastik der „Kassandra“. Wie darf man verstehen, dass das Abbild der griechisch-antiken Seherin mit verschleierten Augen über die Ausstellung schaut? Simons Arbeiten sollen in den Augen des Publikums wohl nicht als sprichwörtlich wirkungslose Kassandrarufe verhallen. Mehr als einen Blick ist wert, dass Simon für den Frühling nicht die üblichen Bildschemata bedient, sondern neue gefunden hat. Bei ihr steigt kein Nebel aus den Wiesen, sie hat eine „Nebellandung“ beobachtet. Ein anderer Bildtitel verheißt „Frühling“, und das Mischtechnik-Blatt aus diesem Jahr zeigt in einer so sinnlichen wie sinnigen Darstellung keimender Kartoffeln das Entstehen von Neuem aus dem Altem. Schnell huscht die Hitze vorbei, zeigt sich als „Holundersommer“ und „Letztes Leuchten“, aber auch im farbintensiven „Papillon“, einer Frau, die ihre gebundenen Hände in Form eines Schmetterlings vor der Brust hält. Bedrückend wirkt, dass Simon den Herbst mit dem „Abschied vom Lebendigsein“ und der ähnlich intensiven Studie „Das Ende (Magersucht II)“ eines ausgezehrten Menschen besetzt. Lieber beschaut man den „Kälteeinbruch im Babelsberger Park“ oder „Der Winter“ als Portrait eines alten Mannes, dem sich eisige Falten in kalten Farben über das Gesicht ziehen. Diese Sichtweise, Jahreszeiten mit Menschenaltern zu verbinden, lässt auch andere Arbeiten als sinnvoll in dieser Ausstellung erscheinen. So erklären sich die Büsten „Mein Mann und seine Frau“, ein Paar in den mittleren Jahren aus bemaltem Ton. So ist daneben auch das ältere „Dörfliche Paar“ zu verstehen. Unter der Vielzahl melancholisch stimmender Arbeiten nehmen sich einige derplastischen Keramiken angenehm heiter aus. Ist seit spätestens E. O. Plauens „Vater und Sohn“-Zeichnungen auch nicht mehr neu, Herr und Haustier formal aufeinander zu beziehen, gelingt Simon in ihren Pärchen „Hund und Herrchen“ dennoch eine Augen zwinkernde Sicht auf das Thema. Seltsam in seiner unbeholfenen Art, aber sympathisch wirkt auch „Der Pubertist“, als dessen Kleidung Kronkorken, Scherben und Nudeln in den Ton gedrückt sind. Und schwer fällt es, sich vor der Tongruppe „Paris, was nun?“ zu entscheiden, sieht sich der antike Held doch drei unterschiedlichen, aber gleich reizenden Damen gegenüber. Die Potsdamer Theaterwissenschaftlerin Dr. Anneliese Priewe, die seit 1997 Maren Simon und ihr künstlerisches Arbeiten begleitet, sagte über die seit 1994 in Göhlsdorf wohnende Malerin: „Wie der unbedingte Drang zum Malen und das Verlangen nach Geborgenheit gehört das Mit-Erleben der unvergänglichen, sich stetig wandelnden Natur zu Maren Simons Lebensgefühl.“ Die Spuren davon lassen sich in der Ausstellung auf der Freundschaftsinsel nacherleben. Bis 29. September im Pavillon auf der Freundschaftsinsel. Mi-Fr 13-18 Uhr, Sa-So 12-18 Uhr.

Götz J. Pfeiffer

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